betül ulusoy

Wer seine Vergangenheit nicht kennt, kann keinen Beitrag zur Zukunft leisten: Unser muslimisches Erbe

Ihr alle kennt wohl inzwischen meine Schulerfahrungen und die unschönen Kommentare einiger meiner Lehrer (http://wp.me/p5lzts-3s).

Interessant ist aber auch, wann und wie Muslime und der Islam in unserer Schulzeit im Unterricht überhaupt zur Sprache kommen. Bei mir war das drei mal:

1. Es wurden die Weltreligionen durchgenommen, also auch der Islam und zwar in Gruppenarbeit: Jede Gruppe bekam eine Religion zugeteilt und eine Woche Zeit und sollte dann in einer Unterrichtsstunde den Mitschülern von „seiner“ Religion berichten. Zehn Minuten pro Religion wurden berechnet. Natürlich sollte die Muslimin über den Islam berichten. Wie das Ausging, wisst ihr.

2. Es wurden die Türkenkriege durchgenommen. Die Türken als Bedrohung vor Wien.

3. Wir haben einige „Randerscheinungen“ der Geschichte durchgenommen. Wieder in Gruppenarbeit. Das Osmanische Reich war eines der Themengruppen, die drei türkische Schülerinnen übernehmen sollten.

Ich fand es bezeichnend, dass diese Themen (a) stets als Gruppenarbeit stattfanden und (b) stets Türken/ Muslimen zugewiesen wurden.

Bei meinen Schwestern kamen dann noch einige Themen im Erdkundeunterricht hinzu: Muslimischer Terrorismus, Nahost-Konflikt, die Frau im Islam. Im Erdkunde-Buch meiner Schwester steht, die muslimische Frau werde per se unterdrückt.

Nach solch einer Schulausbildung, mit einer einseitigen, homogenen und tendenziösen Lehrerschaft* und Lehrmaterialien, wundere ich mich kaum, dass Pegida & Co Zulauf finden. Und ich wundere mich auch nicht, dass sich muslimische Schüler ausgegrenzt und nicht verstanden fühlen. Häufig erlebe ich in Moscheeführungen, dass muslimische Schüler ein großes Bedürfnis haben, sich zu melden und über ihre Religion zu berichten. Endlich gibt es im Klassenrahmen eine Möglichkeit, auch einmal positiv oder neutral über einen Teil ihrer Identität zu sprechen, ohne von vornherein verurteilt zu werden. Sie tun mir oft leid, diese Schüler, die so viel auf dem Herzen haben, dass sie in der Führung gar nicht mehr aufhören wollen, zu reden.

Ich kenne einige ihrer Geschichten: Schüler, deren Lehrer trotz einwandfreier Noten keine Gymnasialempfehlung geben wollen, weil der es ohnehin „zu nichts bringen wird“ oder aber er ohnehin „keine Unterstützung vom Elternhaus erfahren kann, weil es ungebildet ist“ und es darum niemals das Gymnasium schaffen könne. „Wir brauchen doch auch Müllmänner“, soll eine Lehrerin einmal einer Mutter gesagt haben: „Nicht jeder muss studieren!“

Ich selbst musste mir im Unterricht von Lehrern anhören, dass Muslime generell ungebildet sind, nichts zu unserer wertvollen, europäischen Kultur beigetragen haben und erst dann mitreden können, wenn sie auch endlich mal eine Aufklärung durchleben. Solche Lehrer sind eine wahre Beleidigung für die Aufklärung. Nur: Als kleiner Schüler, dem das seit der Grundschule immer und immer wieder erzählt wird, beginnt man irgendwann, zu zweifeln. An sich, an seiner Kultur, an seinen Schätzen. Wer nicht weiß, was seine Vorfahren geleistet haben, kann nicht einschätzen, was er selbst im Stande ist, zu leisten.

Hier setzt ein Projekt an, das ich jahrelang geleitet habe – nicht zuletzt auf Grund meiner eigenen Erfahrungen in der Schulzeit und dem daraus resultierenden Wunsch, es anderen Schülern leichter zu machen und Schule zu bereichern. Gemeinsam mit einem wundervollen Team habe ich im Rahmen von JUMA – jung, muslimisch, aktiv Workshops für Schulen konzipiert und Unterrichtsmaterialien entwickelt. Die Workshops werden von Muslimen geleitet, die Materialien bieten Lehrern Informationen für den Unterricht und Schülern Arbeitsbögen zum Lernen.

Wir gehen positiv an die ganze Sache heran und stellen die Frage: Was haben muslimische Gelehrte (im Mittelalter, nicht erst seit den „Gastarbeitern“!) zu unserer deutschen Kultur beigetragen? Welche Errungenschaften im Bereich Mathematik verwenden wir wie selbstverständlich im Unterricht, ohne zu wissen, welchen Beitrag dazu Muslime geleistet haben? Wie können wir eigentlich in Geschichte Antike Schriften lesen, wie sind sie erhalten geblieben? Und welche Wörter benutzen wir eigentlich ganz selbstverständlich im Deutschunterricht, die eigentlich einen „Migrationshintergrund“ haben und die aus dem Osmanisch-Türkischen, Arabischen oder Persischen kommen? Stimmt es, dass Muslime nichts geleistet haben und wie entsteht eigenltich Kultur? Was machen diese Kenntnisse mit mir, meiner Identität und meiner Wahrnehmung? Interessante Fragen, die unsere Selbstwahrnehmung, aber auch Fremdwahrnehmung positiv verändern sollen.

Nun geht es in den nächsten Monaten daran, Workshopleiter auszubilden, die mit dem Workshop und dem Unterrichtsmaterial an Schulen gehen können.

Das erste Treffen für alle Interessierte findet statt am:

16. April 2015 um Uhr in Berlin.

Interessenten können sich unter: info@juma-projekt.de zu diesem Treffen anmelden.

Hier außerdem mein Vorwort zu den sechszig Seiten umfassenden Unterrichtsmaterialien:

Vorwort

In der Schule wird noch immer zu häufig das Bild einer homogenen christlich-abendländischen Kultur vermittelt, der unsere Sprache, unsere Wissenschaften, unser Gedankengut entspringen. Schüler_innen mit pluralen kulturellen Einflüssen mangelt es oft an einem persönlichen Bezug. Die Identifikation mit unserer Gesellschaft kann hierunter leiden. Politische und mediale Diskussionen, wie beispielsweise die Debatte, ob der Islam zu Deutschland gehöre, verstärken dies noch.

Dabei verdanken wir beispielsweise der chinesischen, indischen und arabischen Welt vieles von dem, was wir heute in unserer Kunst, Kultur und Wissenschaft schätzen.

Warum können wir dann nicht auch im Mathematikunterricht behandeln, wem wir das erleichterte Rechnen mit unseren „arabischen Zahlen“ zu verdanken haben?

Wir glauben, dass es in einer Stadt mit so vielfältigen kulturellen Einflüssen und weltanschaulichen Überzeugungen wie Berlin von besonderer Bedeutung ist, Schüler_innen die Vielfalt unserer Geschichte und Kultur auch im Unterricht nahe zu bringen. Nur durch das Zusammenwirken verschiedenster Einflüsse und Errungenschaften haben wir heute in Deutschland eine so vielfältige und reiche Geschichte und Kultur. Denn Kulturen sind nicht statisch und entwickeln sich nicht in einem Vakuum, sondern entstehen im Zusammenspiel unterschiedlicher Einflüsse und bereichern sich gegenseitig. Wer in der Schule lernt, welche vielfältige kulturelle Prägung und Einflüsse wir alle mitbringen, wird zu einem offenen Weltbürger.

Auf Grund der medialen Debatten, die über den Islam und die Muslime in Deutschland geführt werden, fühlen sich insbesondere muslimische Schüler_innen nicht selten stigmatisiert. Als Muslim_innen haben dir daher bewusst den Fokus auf Errungenschaften aus dem muslimisch geprägten Kulturraum gelegt. Das Wissen, das auch Muslim_innen zum Entstehen unserer Geschichte und Kultur beigetragen haben, soll das Zugehörigkeitsgefühl und das Selbstvertrauen der muslimischen Schüler_innen stärken. Es soll sie motivieren, größeren Wert auf ihre Ausbildung zu legen und sich in unserer Gesellschaft zu engagieren.

Den Anstoß für unsere Bildungsinitiative gaben die zum Teil negativen Erfahrungen in der eigenen Schulzeit. Wir möchten mit dieser Initiative daher auch als Vorbilder für mehr Offenheit werben und zeigen, wie wichtig gegenseitige Wertschätzung und Zusammenarbeit sind.

Unsere muslimischen Leser_innen möchten wir darauf hinweisen, dass es zwar unter Muslim_innen üblich und religiös geboten ist, nach der Nennung des Prophetennamens einen Segenswunsch hinzuzufügen. Da sich die Unterrichtsmaterialien an Lehrer_innen und Schüler_innen aller Religionen und Weltanschauungen richten, haben wir aber auf diesen Segenswunsch verzichtet. Wir überlassen es den muslimischen Leser_innen, das Gebet im Stillen für sich zu sprechen.

Wir möchten uns an dieser Stelle ausdrücklich bei Evelin Lubig-Fohsel und Andreas Unger und bei allen anderen bedanken, die uns beider Erstellung dieses Materials sehr unterstützt haben.

Betül Ulusoy

Projektleiterin der Themengruppe ID-entity

*Nicht alle Lehrer sind vorurteilsbehaftet und gestalten ihren Unterricht tendenziös, das ist ganz klar. Ich kenne viel mehr wanhsinnig gute und engagierte Lehrer, als umgekehrt! Heute werde ich von eben diesen Lehrern zu Seminaren und Workshops in Schulen eingeladen. Ihnen gebührt ein großer Dank für ihren unermüdlichen Einsatz für ihre Schüler!

8 Kommentare zu “Wer seine Vergangenheit nicht kennt, kann keinen Beitrag zur Zukunft leisten: Unser muslimisches Erbe

  1. Feminismus ist vom Shaytan
    16. April 2015

    Was für ein dummes Geschwätz. Du bist leider die Versinnbildlichung all jener Schäden, die der Einfluss linker Ideologie bei Muslimen, welche entsprechend öffentliche Institutionen wie humanistische Gymnasien und Universitäten besuchen, und vor allem universitäre Bildung bei muslimischen Frauen hinterlassen. Der Islam gehört selbstverständlich nicht zu Europa genauso wenig wie das Christentum zur islamischen Welt gehört(auch wenn beide Minderheiten in der jeweiligen Gesellschaft natürlich Religionsfreiheit haben sollten) – und wenn das Geschwätz der Linken von den angeblichen Einflüssen des Islams zur westlichen Philosophie und Kunst hier wiederholt wird – so sei dir gesagt, dass beides gegen den Islam verstößt, so muslimisch können die entsprechenden Personen wohl nicht gewesen sein.
    Das dumme Geschwätz der Gutmenschen von den islamischen Einflüssen auf die europäische Kultur dient vor allem hier durch die damit erfolgte Kompromittierung der islamischen Welt nun auch ihrerseits zu zu geben, dass auch sie vielfältig, „bunt“,“multi-kulti“ sei, der damit möglich gemachten globalen Vermischung und somit Zerstörung aller Kulturen und Religionen, damit ein Einheitspreis entsteht.
    Und anstatt, dass du mit JUMA an solchen überflüssigen Aktivitäten teilnimmst, solltest du deine Stellung benutzen, um dich etwa für die Rechte der Palästinenser einzusetzen.
    Dies bestätigt meinen Verdacht, dass solche Organisationen Einfangnetze der Politik sind, um die Tatkraft und Energie der jungen Muslime, die bestimmten politischen Agenden zweckdienlich, für die Muslime selbst jedoch ohne Nutzen sind.
    Merkst du nicht wie du instrumentalisiert wirst?
    Die Linken und ihre Ideologie sind gefährlicher als die punktuelle Gewalt und offene Feindseligkeit der Rechten, das müssen Muslime endlich verstehen.
    Ich hoffe, du verstehst das nicht als persönlichen Angriff.

    Salam

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    • ws
      16. April 2015

      Schreiben Sie doch gleich, westliche Bildung ist Sünde. Oder wie der Afrikaner sagt: boko haram.

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  2. Feminismus ist vom Shaytan
    16. April 2015

    Sehr geehrter Herr bzw. sehr geehrte Frau „ws“,

    das Problem besteht viel weniger in grundsätzlicher westlicher Kultur oder Bildung selbst als viel mehr dem, was heute hiervon mit dem Islam nicht vereinbar ist und hier besonders aggressiv beworben und exportiert wird. Sexualkunde, Homo-Ehe, Gender, Pornographie und sonstiger Müll haben in gottgefälligen islamischen Ländern nichts zu suchen.
    Gegen Kulturgüter jedoch wie etwa die Grimmmärchen oder großartige wissenschaftliche Arbeiten wie das Werk „der physiologische Schwachsinn des Weibes“ von Paul Julius Möbius ließe sich aus islamischer Sicht denke ich nichts einwenden.

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  3. ws
    16. April 2015

    Als reaktionärer Sack geht mir Gender natürlich auch auf den nämlichen.
    Allerdings sind diese von Ihnen angesprochenen Themen ja jetzt gar nicht der Kern des Artikels. Dort geht es ja nur um die grossartigen Einflüsse des Islams wie das Zahlensystem der Potenz 10 (Moment, das kommt doch ursprünlich aus Indien) und vielleicht noch die Kaffeekultur.

    Bin mir noch nicht ganz sicher, ob das allesvon ihnen nicht nur ein Trollversuch ist. Überzeugen Sie mich vom Gegenteil. Hier haben Sie die Chance, einen Gottesstaat nach Ihren Vorstellungen zu skizzieren.

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    • ayhanakcin
      24. April 2015

      Sie haben recht Herr oder Frau ws, wohlmöglich. Es sind keine arabischen Zahlen. Der der Schmackes in die Forschung steckt, hat auch das Sagen darüber wessen Errungenschaft es anschließend ist und seien darf. Auch die Namensgebung der Zahlen stammt übrigens von denen, die in Wissenschaft und Forschung investiert haben. Meines Erachtens haben die Araber oder Muslime die null enddeck. als Zeichen von dem einen dessen Anfang und Ende nicht Existenz ist, dass die die es gefunden haben, die null, sich auch bzw. ihren ego immer zurückstecken sollen um sich in reumut zu üben, um die Arroganz zu bekämpfen die gerade zu, in jedem von uns wie ein irrer rumschwirrt. Ganz unwichichtig für die die wahrhaftig bzw. Wahrhaftigkeit suchen.

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  4. Feminismus ist vom Shaytan
    16. April 2015

    Es ging mir um eine möglichst scharfe Abgrenzung beider sowie im Grunde aller Kulturkreise – zum Erhalt dieser und zur Verhinderung der Zerstörung dieser durch Vermischung.
    Der Tenor dieses Artikels – das typische linke Geschwätz, Beeinflussung der verschiedenen Kulturen durcheinander sei grundsätzlich positiv – was eine vollkommen wahnsinnige Aussage ist, ist mein Problem.
    Mir liegt es fern die gesamte westliche Kultur zu schmähen, aber der zeitgenössische westliche Liberalismus, der heute nun mal zum Großteil die westliche Kultur ausmacht(sich ausdrückend etwa in Homo-Ehe, Swingerclubs, Abtreibung, Feminismus etc. halt dem ganzen hedonistischen Unsinn) hat kein Bereicherungspotenzial für unsere islamische Kultur – weder hier in der Diaspora noch in der islamischen Welt.
    Ich Danke Ihnen für ihre interessierte Frage, verweise hier aber an die Fülle an Texten, die ich zu dieser Beschreibung erstellen müsste und stattdessen auf folgende Links sowie die abschließende Empfehlung, sich näher mit Saudi-Arabien zu befassen – dem Land, das am meisten islamische Werte repräsentiert:

    http://www.basseera.de (hier gibt es Videos zu allen Themen)

    http://www.islamfatwa.de (Rechtsgutachten zu allen möglichen Themen)

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  5. Feminismus ist vom Shaytan
    24. April 2015

    Kann endlich mal mein Kommentar freigeschaltet werden?

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  6. Feminismus ist vom Shaytan
    25. April 2015

    Wieso wird mein Kommentar nicht freigeschaltet?

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 14. April 2015 von in Allgemein und getaggt mit , , , .