betül ulusoy

Meine Aufgabe ist es, alle Kopftuchträgerinnen auszusortieren!

Ich spreche auf einem bundesweiten Kongress über die Auswirkungen und Folgen von antimuslimischem Rassismus, über tätliche Übergriffe, über Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und auch auf dem Wohnungsmarkt. Dass Freunde keine Wohnung bekommen, weil der Vermieter ihnen ganz offen sagt: „Wir wollen niemanden mit Kopftuch im Haus.“ Dass Freunde nicht umziehen können, weil eine Wohnung nicht mehr verfügbar ist oder unheimlich teuer – und doch verfügbar ist und nur noch die Hälfte des Mietpreises kostet, als sich eine halbe Stunde später der deutsche Ehemann oder die deutsche Kollegin melden.

Am Ende meines Vortrags kommen Gäste zu Wort. Eine deutsch-deutsche Frau mittleren Alters meldet sich: „Wenn man Ihre Ausführungen hört, fällt es schwer, diese Dinge zu glauben. Man denkt sich: So etwas kann doch nicht sein!“ Ich überlege bereits, wie ich auf diesen Redebeitrag antworten soll, von welchen Fällen ich erzählen und von welchen Studien ich berichten soll. Aber dazu soll es nicht kommen. Als diese Frau mit uns fertig ist, kann niemand mehr etwas hinzufügen. „Aber wissen Sie“, fährt sie fort, „ich arbeite selbst bei einem Immobilienmakler. Wir haben täglich aber dutzende Bewerber auf ein Objekt. Wissen Sie, was meine Aufgabe ist? Zunächst die Vorsortierung: Ich soll alle türkischen und arabischen Namen aussortieren. Danach rufe ich alle übrigen Bewerber an, erfrage ihre Verhältnisse und lade all jene, die keine Hartz IV Empfänger sind, zum Besichtigungstermin ein. Wenn die Wohnung nicht genommen werden sollte, kommen doch die Türken und Araber ran. Nun soll ich sie alle anrufen und während des Telefonats erfragen, ob die Frau ein Kopftuch trägt. Denn die soll ich auch alle aussortieren. Sie können sich vorstellen, wie schwierig das am Telefon ist. Wie soll man das bitte heraus hören? Ich kann das ja nicht gerade heraus fragen! Ich frage dann nach der Arbeit, der Anzahl der Kinder, wie lange sie schon in Deutschland lebt und all diese Dinge und versuche so irgendwie ein Gespür dafür zu entwickeln, ob sie womöglich ein Kopftuch trägt. Wenn dann beim Besichtigungstermin alle durch die Tür kommen und es ist doch jemand mit Kopftuch rein gerutscht, dann stehen wir dort mit unseren Bewerberlisten und machen sofort einen Vermerk hinter dem Namen der Kopftuchträgerin. Sie bekommt die Wohnung dann nicht. Wissen Sie, welche Wohnungen Muslime nur bekommen? Die, die die Deutschen nicht haben wollen!“

Ich hatte ja mit allem gerechnet, aber nicht mit so etwas. Meine Mutter kann selbst viele Lieder davon singen, wie unheimlich schwierig der Wohnungsmarkt für Kopftuchträgerinnen ist. Traurige Lieder. Einmal hatte sie mir gesagt: „Weißt du, welche Wohnungen sie uns nur geben? Die schäbigen, die Deutsche nicht haben wollen, die wir dann sanieren und deren Wert wir steigern.“ Damals wollte ich nicht so recht wahr haben, was meine Mama mir sagte. Es bedeutete Schmerz, das anzunehmen. Jetzt, Jahre später, war ich als Referentin eingeladen und vor mir saß eine deutsch-deutsche Frau, die mit exakt den selben Worten sagte, was meine Mama genau so auch gesagt hatte und immer wieder bitter erfahren musste.

Wenn ich diese Erfahrungen an meinem Arbeitsplatz nicht gemacht hätte, säße ich heute vielleicht auch hier und hätte Ihnen nicht geglaubt, was Sie uns erzählt haben“, erzählt sie weiter, „vielleicht hätte ich gedacht, dass Sie übertreiben oder sich zu sehr als Opfer sehen. Darum wollte ich meine Erfahrungen heute mit allen teilen. Denn wenn es hier jemanden gibt, der Ihnen nicht glauben sollte: Es stimmt alles, was Sie sagen. So unglaublich das klingt. Und es soll ja keiner glauben, dass ich von einem Einzelfalls spreche, denn bei allen anderen Immobilienmaklern, mit denen wir in unserer Stadt zusammenarbeiten und die wir kennen, ist es genau so!“

Ich bin dieser wundervollen und starken Frau sehr dankbar für ihren Mut!

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Übrigens: „Lustig“, dass zumindest in Berlin, jetzt alle in die Viertel ziehen wollen, die Geringverdiener und Türken in den letzten Jahrzehnten aufgebaut und „hip“ gemacht haben…! Und für die Entstehung von „Parallelgesellschaften“ sind wir auch alle selbst Schuld. Wir wollten schließlich alle in diesen schäbigen, heruntergekommen Ghettos leben. #Gentrifizierung

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Zur Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt schrieb ich bereits hier: http://wp.me/p5lzts-20

Zur Wahrung der Anonymität der Dame bitte ich alle, die dabei waren und/ oder Genaueres wissen, davon abzusehen, Angaben zur Stadt, zum Kongress, zum Aussehen der Frau etc. zu machen. Danke.

15 Kommentare zu “Meine Aufgabe ist es, alle Kopftuchträgerinnen auszusortieren!

  1. Pingback: Markierungen 05/18/2015 - Snippets

  2. Fräulein Nett
    18. Mai 2015

    In Hamburg ist es leider gleicher Mist. Und die „Türkenviertel“ werden nach und nach auch „Hip“.

    Trauriges, armes Deutschland.

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  3. Nun, es ist kein rassistisches, fremdenfeindliches Problem. Es ist eine widerliche Methode gegen die Religion selbst. Denn auch ich als deutsch-deutscher Bürger bin davon betroffen.
    Als meine Frau und ich den Mietvertrag unterschreiben wollten, wurden wir gefragt, ob wir Salafisten sind und warum wir denn zum Islam „übergelaufen“ sind. Eigentlich rede ich gern über den Islam, doch wenn das Gespräch wie ein Verhöh daher kommt, vergeht es mir. Warum spielt die Religion bei der Wohnungssuche eine Rolle? In wieweit geht meine Religion meinen Vermieter etwas an?

    Ein interessanter und gelungener Artikel, doch leider auch ein wenig aufwühlend. Es ist für mich ein emotional geladenes Thema.

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  4. Sozialistische Quotenregelungen wären aber keine Lösung.

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  5. Pia
    21. Mai 2015

    Krass 😦 Das ist einfach nur skandalös. Echt mutig von der Frau, dass sie solche Einblicke in ihre Arbeit gegeben hat. Dass es Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt gibt, ist wohl jedem klar, aber dass es so dermaßen systematisch „aussortiert“ wird, lässt es mir wirklich kalt den Rücken runterlaufen …

    Ich wohne in einem Viertel, wo auch viele Muslime wohnen. Neulich ist mir auch schon aufgefallen, dass in meinem Mietshaus (ca. 40 Parteien) nur eine einzige muslimische Familie lebt – natürlich im EG Vorderhaus, wo ihnen jeder in die Kochtöpfe und ins Wohnzimmer reingucken kann, so dass sie ständig hinter zugezogenen Gardinen hausen müssen. Für diese Wohnung wurde offenbar niemand „besseres“ gefunden. Ich hab dann mal die Klingelschilder der Häuser in meiner Straße inspiziert – es gab Häuser mit nur deutschen Namen (ein paar verstreute italienische, spanische, vietnamesische Namen dazwischen) und Häuser mit ausschließlich türkischen/arabischen Namen. Jetzt weiß ich auch warum. 😦

    Hat regelrecht was von Apartheid …

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  6. Truth_hurts
    14. Juni 2015

    Liebe Leute, liebe Bloggerin,

    Ich bin selbst Migrantentochter, mein Verlobter ist Marokkaner. Ich bin stolze und gläubige Christin, er stolzer und gläubiger Moslem. Trotzdem möchten wir lieber in einer Gegend leben, wo nur Deutsche wohnen. Das hat nichts mit Rassismus zu tun. Wir beide möchten keine Kopftuchträgerinnen im Haus haben. Irgendwie zieht das einfach und banal gesagt etwas negatives mit sich. Damit verbindet man direkt kinderreiche Familien, meist sehr laut. Fremde Gerüche, ständiges Gekoche, Ein- und Ausgehen… Alles Sachen, die heut zu Tage die so wertvolle Ruhephasen von der arbeitenden Bevölkerung stören.

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  7. Sven
    25. Juni 2015

    Und damit es auch seine Richtigkeit hat , wenn es Ihnen hier nicht gefällt und die Rechtssprechung nicht Ihre ist , dann steht es Ihnen frei , jederzeit dieses verteufelte Land zu verlassen und Ihren Lebensabend als Haussklavin in der Türkei oder vielleicht in Syrien bei ISIS zu verbringen .. Also ein wenig Demut (hoffe Sie müssen diesen Begriff nicht googlen) würde gut tun . Aber wenn man in seinem Land keine Rechte besitzt , dann muss man sich eben woanders Wichtig machen. UND BITTE ERZÄHLEN UND SAGEN SIE NICHT DAS DEUTSCHLAND IHRE HEIMAT IST .. AUFGRUND IHRER AUSSAGEN ST DIES UNMÖGLICH !! ABER BESTIMMT BAFÖG WÄHREND DES STUDIUMS IN ANSPRUCH GENOMMEN ODER ??? ;DDD ICH SCHREI MICH WEG ::: WARUM LEBEN SIE IN DEUTSCHLAND…?? KÖNNEN SIE DAS ÜBERHAUPT BENENNEN?
    Werden Sie doch Frauenaktivistin in der Türkei , am Besten in Anatolien , da bekommen Sie bestimmt die Wertschätzung die Ihnen zu steht ;DD

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    • Ray
      24. März 2016

      Was trollst Du Verbrecher hier rum. Verzieh Dich in Dein Nazi-Rattenloch. Hier unterhalten sich Menschen!

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  8. thechickonspeed
    6. Juli 2015

    Ich bin ganz ehrlich, ich würde es als Vermieter nicht anders machen. Warum? Aufgrund der persönlich gemachten schlechten Erfahrungen mit einem besonderen Kulturkreis. Würde das auch nicht unbedingt am Kopftuch oder der Religion festmachen, aber es gibt nun mal den meisten Stress mit Türken oder Arabern. Randale im Schwimmbad (gestern Columbiabad), mehrere Massenschlägereien auf Kinderspielplätzen in Berlin in den letzten Wochen und wenn in der Ubahn jemand besonders streng riecht, erkennt man meist auch gleich Herkunft und Religion. Und wenn man besonders blöd belästigt wird, dann sind’s auch meist muslimisch geprägte Jungs. Und sorry, ich hole mir sicher auch keinen Konvertiten mit Fusselbart in die Hütte.
    Deswegen: Solange ein Großteil der Muslime die hiesigen Werte nicht anerkennt, würde ich den Rest eben – ungerechterweise – in Sippenhaft nehmen und eben anderweitig vermieten, interessanterweise hört man diese Probleme ja auch nicht aus anderen Kulturkreisen.

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    • Ray
      6. Juli 2015

      Bei der Geschichte mit dem pubertären Jungs kann man zustimmen. Aber Ihre Geschichte mit dem „strengen Geruch“ ist doch arg daneben.- Übrigens habe ich lange in Kreuzberg gelebt und nie Ärger mit Türken welchen Jahrgangs auch immer gehabt. Es gibt einen bestimmten Ton, den man hier anschlagen.kann. Späer habe ich in Ostberlin gelebt. Seitdem wurde ich öfter aggressiv angemacht – von Ostdeutschen.

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    • Tata
      14. Juli 2015

      Hallo Vermieter,
      man sagt, es sei nichts einfacher, als sich selbst recht zu geben. Will heißen, trägt ein Mensch ein Vorurteil im Herzen, sieht er oder sie selektiv auf Dinge. Schlechte Erfahrungen werden häufig generalisiert auf Gruppen angewendet und gute von den selben als absolute Ausnahme empfunden.
      Ich muss auch sagen, deine ersten Beispiele sind keine persönlichen Erfahrungen und Assis, egal von wo sie kommen, mag keiner.
      Emphatisch statt allem anderen. Das wird uns voranbringen.
      Ich verspreche

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  9. Iakita Anu
    6. März 2016

    Abdallah S Pfahl! Mach hier mal nicht auf einen beleididigt. Und tue mal nicht so als könntest du nachvollziehen, was sichtbare Minoritäten tatsächlich so an alltagsrassismus so erleben. Wenn du dich verkleiden willst und abubakr spielen willst, musst du mit den Konsequenzen leben.

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  10. Iakita Anu
    6. März 2016

    Ach blah Leute, alles was ihr von euch gibt, erweckt den anschein, als wolltet ihr unter euch bleiben, um eine helal ummah zu leben. Solange ihr so viele Regeln habt, die es unmöglich machen unauffällig zu leben, Wird es nicht gehen. Alle nicht Moslem-Ausländer kriegen das auch hin. Was los mit euch? Warum wollt ihr immer Applaus für Sachen, die die mehrheitsgesellschaft wack findet?

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  11. Ray
    24. März 2016

    Vielleicht sollte man angesichts einiger Hasskommentare hier einmal darauf hinweisen, dass es nicht konservativ-religiöse Türkinnen sind, die zurzeit in Deutschland versuchen, reaktionäre Gesetze durchzusetzen, sondern genau die Leute, die die Kopftuchträgerinnen am lautesten beschimpfen. Leute, IHR seid die eigentlichen Kopftuchträger in Deutschland! Legt Euer inneres Kopftuch ab und öffnet Euch für Demokratie und Menschenrechte.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 17. Mai 2015 von in Allgemein und getaggt mit , , , , .