betül ulusoy

Spenden: Wenn die Würde abhanden kommt

Bist du Betül Ulusoy?“, fragt sie quasi auf offener Straße. „Ja.“ Sie drückt mir einen zusammengefalteten Geldschein in die Hand: „Für die Schul-Aktion für die Flüchtlingskinder“, sagt sie. Ich stehe eine Weile perplex da. Eigentlich ist mir die Situation ziemlich unangenehm. Dass mir auf diese Weise Geld zugesteckt wird. Gleichzeitig freue ich mich auch über die Spende, natürlich. Aber die Situation ist mir unangenehm.

Ich bin es gewohnt, immer alles zu haben. Von allem das Beste zu haben. Meine Eltern haben immer beide gearbeitet. Uns hat es nie an etwas gemangelt. Ich bin es gewohnt, immer diejenige zu sein, die gerne einlädt. Die gerne teure Geschenke kauft. Die gibt. Plötzlich nehme ich. Ich nehme von Schülern und Familien, die selbst nicht viel haben und die ich gerne selbst unterstützen würde – Die aber ihrerseits für Flüchtlinge spenden. Ich nehme von Unternehmen, die spenden. Ich frage sogar selbst nach Spenden und Hilfe. Ich frage nach Hilfe, das ist ungewohnt.

Neulich war ich in einem Geschäft für die Schul-Aktion einkaufen. Erstaunlicherweise fand ich mehr, als ich erwartet hatte und so wurde der Einkaufswagen immer voller und die Summe immer größer. Natürlich will ich die Spenden bestmöglich verwalten und das größtmögliche für die Flüchtlinge raus holen. Also nehme ich meinen ganzen Mut zusammen und frage nach einem Rabatt. Wenn ich meine „ganzer Mut“, dann ist das wörtlich zu verstehen. Ich muss mir vorher erst eine halbe Stunde gut zu reden und abwarten, bis eine Mitarbeiterin allein ist, weil mir das sonst peinlich wäre. Die Mitarbeiterin lächelt, als ich es endlich schaffe, meine Frage über die Lippen zu bringen. Sie lächelt mitleidig, finde ich. Plötzlich bin ich zur Bittstellerin geworden. Ich bekomme den Rabatt. Aber was noch viel wichtiger ist: Ich bekomme einen Denkzettel. Flüchtlinge haben in den meisten Fällen nicht das Privileg, allein zu sein, wenn sie ihre Spende bekommen. Sie werden ebenfalls von den Spendern angelächelt. Natürlich sind das wunderbare, hilfsbereite Menschen. Aber in jedem dieser Lächeln liegt auch Mitleid. Das ist unangenehm, wenn man auf der anderen Seite steht. Ich glaube, dass wir viel zu oft mit unserer Seite beschäftigt sind, als dass uns das auffällt.

Wer lächelnd eine Spende gibt, erwartet sehr oft auch Dankbarkeit. Wie oft lese ich: „Die Augen der Flüchtlinge haben gestrahlt, als wir ihnen die Spende gaben“. Ich frage mich, ob das ein Stück weit Einbildung ist. Als ich gab, hatte ich nie das Gefühl, dass Augen strahlten. Ich hatte vielmehr den Eindruck, dass sich die Augen fortstahlen, leer oder betroffen waren. Männer haben oft auf den Boden gestarrt und es gern ihren Frauen und Kindern überlassen, die Spende anzunehmen. Aber auch viele Frauen, die ich sprach, haben nur das Nötigste genommen und oft gesagt, dass sie nichts weiter bräuchten – Obwohl sie es brauchten, das sah ich. Einmal fragte ein Mann mich nach einer Hose. Er hatte nur das, was er am Leib trug. Die Art, wie er fragte, erinnert mich an die Situation, als ich um einen Rabatt bat. Er hatte sich sichtlich viel Mut zusprechen müssen. Er konnte mich schwer ansehen und trat ständig von einem Bein auf den anderen.

Wir fühlen uns gut, wenn wir geben. Wir gefallen uns in dieser Rolle. Geben ist leicht. Was schwierig ist, ist nehmen. Denken wir auch an die Gefühle derer, die nehmen müssen oder ist uns unser Geben und unser Wohlbefinden wichtiger? Diese Frage stelle ich mich in letzter Zeit immer öfter. Ich habe das Gefühl, dass uns manchmal die Empathie verloren geht, während wir eifrig dabei sind, zu helfen. Unsere Empathie für die Würde anderer.

Was schwierig ist, ist angewiesen darauf zu sein, was einem gegeben wird. Ich habe einmal mehrere Stunden Hosen in einem Lager einer Notunterkunft sortiert. Zwei Mal hatte ich so starken Brechreiz, dass ich dachte, ich müsste mich gleich übergeben. Die Hosen waren einfach so dreckig und haben so übel gestunken, dass ich es nicht aushielt. Viele dieser Hosen waren zerrissen, hatten Löcher, waren ausgefranst oder dreckig. Natürlich gibt es auch Spender, die ihre Spenden vorher waschen, bügeln und beschriften. Das ist aber leider nicht immer der Fall. Natürlich können die Flüchtlinge die Sachen auch selbst waschen, könnte man meinen. Das meint man aber wohl nur, wenn man auf 130 m² mit eigener Waschküche wohnt und eine Waschmaschine, einen Trockner und unzählige Waschmittel hat. Wenn man sich aber ein Becken mit 120 anderen Menschen teilt, nur Seife zum Waschen hat und keine Möglichkeit, die Sachen irgendwo aufzuhängen, meint man das nicht mehr. Auf die Hosen, die ich falten musste, angewiesen zu sein, macht mir Angst.

Es ist bei allem so. Als wir neulich Süßigkeiten für das Opferfest eingekauft haben, kamen nur die Dinge in den Einkaufswagen, die uns persönlich schmecken. Das mag nach einem Luxusproblem klingen, aber wir haben den Luxus zu sagen: „Das schmeckt mir nicht“, während wir ihnen alles selbst aussuchen und vorsetzen und noch dazu „strahlende Augen“ erwarten.

Ich finde, das ist ein schwieriges Thema. Diese Menschen sind tatsächlich auf so viel angewiesen, von der Unterhose, bis zur Mahlzeit. Gleichzeitig sind viele Helfer einfach nur herzensgute Menschen, die es gut meinen. Wie schafft man also den Spagat zwischen helfen zur Gewissensberuhigung und würdevoller Hilfe der Unterstützung Willen.

Ich kann Gott gar nicht genug danke dafür sagen, dass ich nicht die Hand aufhalten muss. Denn eins ist sicher: Nehmen ist so unglaublich schwer für das menschliche Ego. So viel schwerer als geben. Aber ich weiß auch: Die, die jetzt hier sind, hatten das bisher auch nicht gemusst, hatten es nicht für möglich gehalten, dass sie einmal in dieser Lage sein würden. Wenn mich also das selbe Schicksal ereilen sollte, wünsche ich mir würdevolle Hilfe. Was würde ich in dieser Situation wollen? Solange wir nicht vergessen, diesen Maßstab anzulegen, ist wohl viel getan.

Ein Mal mehr erschließt sich mir die Weisheit und Tiefe Bedeutung eines Spruchs des Propheten Muhammad (s.a.v.):

Es gibt sieben, denen Allâh Schatten gewähren wird an dem Tag, an dem es keinen Schatten gibt außer Seinem Schatten: (…) Ein Mann, der so spendete und es derart verbarg, dass seine linke Hand nicht wusste, was seine rechte Hand spendete; (…).“

59 Kommentare zu “Spenden: Wenn die Würde abhanden kommt

  1. abdurrahim dottermusch
    8. September 2015

    Selam Betül, ich danke Dir für diese zur Schrift gebrachten Gedanken. Sie spiegeln sehr klar das Dilemma wieder indem sich Bittende und Gebende befinden.

    Abdurrahim

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  2. maramarin21
    8. September 2015

    Ein wunderbarer Artikel. Er sensiblisiert für die Gefühle der Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind. Und Du hast so Recht: Es ist ein Unding, ungewaschene schmutzige Kleidung zu spenden. Es verletzt die Würde der Menschen, deren Würde schon so oft verletzt wurde.

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  3. culbia
    8. September 2015

    Dann seh Dich einfach als Postbotin 😊

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  4. Trippmadam
    8. September 2015

    Ich hatte einmal eine alte Nachbarin, die gab jedem Bettler, dem sie begegnete, eine Münze von ihrer kleinen Rente. Und wenn ein Bettler ihr dankte, sagte sie: Ich habe zu danken!

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  5. Frl. Urban
    8. September 2015

    Vielen, vielen Dank für die Worte. Mich macht das so wütend. Es ist in Ordnung, Geld zu spenden, dass in Materialspenden ugesetzt wird. Die verteilt werden. Aber Geflüchteten einfach Geld geben und sie selbst entscheiden lassen – das geht wohl nicht? Es sind Almosen, und die, die sie geben wollen eben doch selbst entscheiden, was ankommt. Aber kommt dann an, was gebraucht wird?

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    • Frau G.-H.
      9. September 2015

      Ich denke, hier ist nur die Rede von der Erstversorgung in den Flüchtlingsanlaufstellen. Sobald Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beantragt und bewilligt sind, erhalten auch Flüchtlinge Geldleistungen vom Staat.

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  6. Myriade
    8. September 2015

    Ja, da bin ich ganz und gar deiner Meinung. Es ist übel, diese vor Begeisterung über sich selbst strahlenden Leute, die mit Tremolo in der Stimme verkünden „….. und sie sind ja soooooo dankbar“

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    • Patricia Rebner
      25. Dezember 2015

      Sorry, aber viele sind es tatsächlich…….das ist wenigstens meine persönliche Erfahrung. Selbstverständlich gibt es auch die, die im obigeb Artikel, den ich übrigens erstklassig finde, beschrieben werden !!!!! Auch die habe ich kennen gelernt. Dieser Artikel sollte zur Pflichtlektüre jedes Helfenden werden !!! Über soviel Empathie, sich dermaßen in die Rolle vom Gebenden UND Nehmenden hineinzuversetzen, verfügt leider nicht jeder.

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      • Myriade
        1. Januar 2016

        Ja, ja, das bestreite ich nicht. Mich irritieren nur die Menschen, die ihre Lebensenergie und ihr Selbstwertgefühl aus dem Helfen beziehen. Das finde ich gefährlich für alle Beteiligten.

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  7. annie
    8. September 2015

    Ein wunderbarer Artikel, einfühlsam geschrieben und über ein wirklich wichtiges Thema.
    Ich bin momentan zwiegespalten.
    Einerseits freue ich mich darüber, das es so viele hilfsbereite Menschen hier gibt. Andererseits bin ich mir nicht sicher was ich von dieser Euphorie und diesen Massenempfängen halten soll. Klar ist es richtig und wichtig zu zeigen, das diese Menschen bei uns wilkommen sind. Es ist auch schön diese Gesten des Gebens zu sehen.
    Nur wann werden Grenzen überschritten?
    Wann stilisiert man sich und dieses Deutschland zu etwas was es nicht ist.
    Was ist wenn diese Welle der Hilfsbereitschaft wieder nachlässt?
    Ich habe Angst diese Menschen zu entäuschen. Die Politik fangt schon fröhlich an, die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.
    Wann folgen wir diesem falschen Weg?

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  8. Heike Pohl
    8. September 2015

    Ich sehe das sehr pragmatisch und gehe davon aus, dass nahezu jeder Mensch in seinem Leben einmal in die Lage kommt, nehmen zu müssen, weil er nicht anders kann. Vielleicht kommt dieser Moment erst, wenn wir alt sind und auf die Hilfe anderer angewiesen. Oder krank. Verletzt. Bedürftig. In Not.
    Es gibt unzählige Möglichkeiten, die auch diejenigen, die sich aktuell aufs Geben beschränken dürfen, irgendwann in die Situation bringen, nehmen zu dürfen und zu müssen.
    Ehrlich gesagt möchte ich gar nicht so viel nachdenken (müssen) über Empfindlichkeiten. Ich freue mich über jeden Menschen, der zurzeit hilft. (Und nicht sein Maul aufreißt, um Bedenken anzumelden, sich hinter EU-Abkommen zu verstecken oder – noch schlimmer – ganz offen seinen Hass zum Ausdruck bringt. Da ist es mir – salopp gesagt – wurscht, ob sich jemand schämt, weil er nehmen muss. Das ist dann eben so und es ist weitaus weniger tragisch, als erst gar nicht in diese Verlegenheit zu kommen.
    Aber: Sehr sympathisch finde ich es trotzdem, dass Sie sich inmitten dieses Chaos‘ diese Gedanken erlauben. Sie verhindern, dass man das, was da geschieht, zu schnell als akzeptabel und damit hinnehmbar empfindet.
    Herzliche Grüße, Heike Pohl

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    • Gaby kleinbauer
      10. September 2015

      Der Artikel von Heike Pohl drückt aus was ich auch empfinde. Aber bitte – bitte fangt jetzt nicht wieder an alles zu zerreden und dann wundert man sich wenn die Hilfsbereitschaft aufhört.

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    • Silvia Strauß
      10. September 2015

      Aber es kann doch nicht „wurscht“ sein, wenn die Würde des Gegenüber verletzt wird, der auf „Hilfe“ angewiesen ist und sich eigentlich lieber selbst helfen würde. Und könnte – sind ja Erwachsene. Ich meine, man kann ja spenden, geben, schenken, die Hand geben, aber doch so, dass es eben nicht beschämt. Weniger auffällig vielleicht oder einfach im Sinne von „ich schenke nicht, ich werde beschenkt. Danke dafür“
      Wieso das alles unter HILFE läuft, weiß ich sowieso nicht, schließlich ist die Politik Europa bzw. der westlichen Welt incl. der USA verantwortlich für die Kriege und das Chaos, in die wir Länder wie Syrien, Irak oder Afghanistan gestürzt haben. Zuerst werden sie hofiert und unterstützt und dann als Terroristen bekämpft. Im Grunde ist das also ein Teil von Wiedergutmachung. Wir übernehmen die Verantwortung für unser Tun.

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      • Leserin
        16. September 2015

        @Silvia:
        „Ich meine, man kann ja spenden, geben, schenken, die Hand geben, aber doch so, dass es eben nicht beschämt.“
        Ich glaube nicht, dass man immer vorher weiss, ob und wie man jemanden mit einem Hilfsangebot oder einer Spende beschämt oder seine/ihre Würde in Frage stellt.
        (Von ungewaschenen Kleiderspenden mal agbesehen, das ist einfach nur unmöglich und sollte vielmehr die Gebenden beschämen.)
        „Wurscht“ ist es vielleicht nicht, aber man kann sich eben nicht immer ganz genau „richtig“ verhalten, dazu ist das doch alles viel zu komplex, man steht auf einmal einem riesigen Berg von Schicksalen gegenüber, manchmal sind es nur Sekunden, die man sich gegenseitig begegnet, und schon geht die Reise weiter.
        Da existiert eben ein Gefälle, und wenn man auf der Geberseite steht und sich dessen bewusst ist – gut.
        Kann man nur in dem Moment nicht wirklich ändern, dass es so ist, und sich die Empfänger deswegen möglicherweise unwohl fühlen, vielleicht sogar Scham empfinden.
        Das heisst nicht, dass das egal ist, im Gegenteil. Aber das ist in dieser Situation dann eben nicht ganz oben auf der Prioriätenliste, auch nicht mein eigenes Unwohlsein, was mich ob meiner privilegierten Lage vielleicht beschleicht.
        Das muss dann eben mal ausgehalten werden, damit muss ich mich dann später beschäfitigen.

        Mitleid für Flüchtlinge oder andere Menschen mit Hilfsbedarf zu haben und dieses auch mal zu zeigen – sehe ich kein Problem drin, solange man es den Hilfsbedürftigen nicht aufbürdet und ihnen zu nahe tritt – wobei das natürlich trotzdem passieren kann.
        Wir sind eben keine Roboter.
        Lieber etwas zuviel Mitgefühl und Mitleid als zu viel Kälte, Gleichgültigkeit oder gar Hass und Gewalt.

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  9. Pingback: Spenden: Wenn die Würde abhanden kommt | die lust was zu sagen

  10. egalistdas
    8. September 2015

    Hat dies auf die lust was zu sagen rebloggt und kommentierte:
    Wow.. Wirklich sehr gut geschrieben!
    Unbedingt Lesen.

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  11. Kein Name
    8. September 2015

    Hallo Betül,

    meine Oma hat mir das Geld immer klein gefaltet zum Geburtstag oder sonstigen Feiertagen überreicht. Das hat auch schon meine Ur-Oma so gemacht. Je kleiner der Geldschein gefaltet wurde, desto mehr Liebe steckt dahinter. Meine Ur-Oma war eine Heimatvertriebene. Ich habe nach den ersten Sätzen so viel weinen müssen, ich vermisse die Beiden so sehr. Die Leute, die dir den Geldschein so klein gefaltet übergeben haben, haben genau das gleiche erlebt wie die Flüchtlinge. Die Geldscheine wurden so klein gefaltet, das kein Verbrecher es findet und ihnen das Geld abnimmt. Ich finde das so süß.

    Es tut mir leid, wenn ich Deinen Text nicht sonst weiterlesen konnte, aber nach der Stelle, daß es Dir peinlich war musste ich sehr viel weinen.
    Es war mir übrigens auch sehr peinlich, bis ich die Geschichte verstand, die dahinter steht. Ich hoffe, ich konnte dieses kulturelle Mißverständnis aus der Welt räumen, Ich frage mich was für eine Geschichte hinter sich hinter den weiteren Ereignissen versteckt.

    Liebe Grüße,
    ein Deutscher

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  12. siljaps
    8. September 2015

    Danke. Du lässt mich gerade sehr nachdenklich zurück, denn ich überlege, wie ich helfen kann. Helfen, damit sich die Leute, die Schlimmes durchgemacht haben, sich hier sicher fühlen und merken, dass sie nun zur Ruhe kommen können. Dazu gehört auch, sich wohl zu fühlen. Geht das, wenn man nehmen „muss“? Vielleicht sollten wir beim Geben das Gefühl vermitteln, dass das Nehmen ihr Recht ist.
    Danke dir!

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  13. wiltrud
    9. September 2015

    Mich erinnern diese Gedanken an ein persönliches Erlebnis, das mittlerweile viele Jahre zurück liegt. Als junge Mutter lebte ich in einem Stadtteil mit vielen türkischen Familien zusammen. Unsere kleinen Kinder wuchsen gemeinsam auf und wir Mütter verbrachten viel Zeit zusammen. Dennoch kannte ich wenig bis nichts über die türkische Lebensweise, ihre Kultur und Rituale. Eine türkische Familie war ihrer Religion sehr verbunden und hielt sich mir Deutschen gegenüber zurück. Irgendwann bekam ich von dieser Familie frisches Lammfleisch geschenkt. Es war eine riesige Überraschung für mich, und ich freute mich über diese freundschaftliche Geste. Dann erfuhr ich, dass es eine Verpflichtung zum Opferfest sei, ein Tier zu schlachten und das Fleisch auch an die Armen und Hungrigen zu verteilen. Das irritierte bis und verletzte mich, weil ich plötzlich nicht mehr die freundschaftliche Geste fühlte, sondern eine Spende an meine hilfsbedürftig wirkende kleine Familie. Ich fühlte mich beschämt und ja, auch herabgesetzt, fast sogar missbraucht.

    Diese Situation ließ sich damals gut auflösen und war der Beginn einer bis heute andauernden Freundschaft.

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    • salsabilalmaniya
      9. September 2015

      Das ist eine interessante Erfahrung, die du hier beschreibst. Es überrascht mich doch immer wieder, wie kleine Gesten so unterschiedliche Wirkung haben können, wenn man einen unterschiedlichen Hintergrund hat. Aber es ist eben die Realität. Schön, dass ihr euch angefreundet habt!!

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      • wiltrud
        9. September 2015

        ja, ich denke, wir sollten sehr behutsam miteinander sein, viel häufiger hinterfragen/nachfragen…

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  14. Chris
    9. September 2015

    Sehr schöner Text. Ich lebe nach dem Motto, dass jeder mal in Not ist und Hilfe braucht (klar, nicht unbedingt in gleichschlimmer Not) und jeder mal in Situationen kommt, in denen seine Hilfe benötigt wird. Viel wichtiger als Dankbarkeit wäre mir die Gewissheit, dass eine Person, der ich helfe, sich daran erinnert und dementsprechend jemand anderem im Rahmen ihrer Möglichkeiten hilft wenn der Zeitpunkt gekommen ist. Leider ist das Konzept wohl nicht massentauglich, denn sonst wären wohl weniger Helfer aufgrund mangelnder Dankbarkeit enttäuscht und weniger Hilfebedürftige würden sich schämen, es wär halt ein ständiges Geben und Nehmen.

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  15. Jezaja
    9. September 2015

    Sehr schön geschrieben und auf den Punkt gebracht.

    Ähnlich ist es mit dem Applaudieren an den Bahnhöfen. Warum lässt man die Leute nicht erstmal in Ruhe ankommen, sich orientieren und mach dann meinetwegen ein „Willkommensfest“ oder ähnliche Veranstaltung? Stattdessen werden diese erschöpften (und traumatisierten) Menschen mit einem Tohubawohu empfangen, dass ihnen offensichtlich unangenehm ist und eher ein Spiessrutenlauf durch ein Spalier applaudierender Menschen und auf sie gerichteter Kameras ist.

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  16. applytree
    9. September 2015

    Danke für diesen Artikel, der zum Nachdenken anregt!

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  17. Isabelle
    9. September 2015

    Vielleicht sieht man leuchtende Augen beim Empfänger weil man diese einfach sehen will. Du magst Recht haben und auch Spenden will gelernt sein. Und doch sind mir Spender, die es gut meinen und dabei einiges falsch machen, lieber als Menschen die nur Hass und Angst in sich tragen. Im übrigen kommt Mitleid von mitleiden und deine Worte mögen helfen, dass der Spender seine Art dabei ein bisschen überdenkt.
    Seine alte Wäsche als Spende zu deklarieren ist natürlich eine andere Sache und geht gar nicht.

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    • Monika Herron
      1. März 2016

      gtefällt mir der kommentar – man will es gut machen – und tut es auch mit seinen gut gemeinten spenden (wenn sie sauber und odentlich sind) .. und diese leuchtenden kinderaugen – nun gut – besser als angst und hilflosigkeit

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  18. Annie
    9. September 2015

    Danke für die wunderbaren Worte. Sie erklären soviel….betrachten die Spenden mal von der anderen Seite. Ich glaube, diese Sichtweise fehlt auch vielen Helfern. In manchen Ländern ist es üblich, ein Geschenk nicht vor dem Schenkenden zuöffnen. Es wird zur Seite gelegt, später geöffnet. Gefällt der Inhalt nicht, dann hat der Beschenkte durch seine Reaktion aber auch nicht „gekränkt“. Es fällt nur ein kurzes Danke bei der Übergabe….
    Nicht alles wird genau richtig sein, was wir geben, aber wir können unser Bestes tun, um würdevoll zu geben.

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  19. palavera
    9. September 2015

    Danke Dir für Deine treffenden Worte.

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  20. alivenkickn
    9. September 2015

    Gut beobachtet – wahrgenommen. Geben, anderen Menschen Hilfe anzubieten ist eine Sache. Doch dann bist DerDiejenige derdem man gibt, derdem man Hilfe anbietet.

    Der Kloß im Hals wird immer größer, Du schluckst, bist auf einmal nervös, druckst rum, schaust verlegen zu Boden. Wie oft murmelt man dann ein: „Ach es geht schon“ oder greift zu einer hastig ausgestoßenen Floskel.

    Ist man sich dessen gewahr wie es dem Menschen dem Du gibst geht, wie er sich füht, was in diesem Moment mit ihm passiert, dann gibt man dem Menschen ein Teil seiner Würde wieder.

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  21. Hermi
    9. September 2015

    Danke dir für deine tollen Worte, sie wiederspiegeln auch mein Empfinden und meine Erfahrungen. Habe selbst auch in meinem Freundeskreis eine Spendenaktion gestartet und wies auch explizit darauf hin das Geldspenden angenommen werden um dinge zu besorgen die benötigt werden. Als dann einer zu mir kam und sagte ich habe keine Zeit zu helfen aber hier hast du etwas Geld war ich auch in einer Situation die ich so nicht kannte. Ich verspührte das innere Gefühl Ihm erklären zu müssen was mit Geld passieren wird damit er nicht auf den Gedanken kommt das ich sonst was damit anstelle. Diese Situation war mir so unangenehm das ich am liebsten nichts mehr angenomen hätte.
    Nun ist es eben so wo gesägt wird fallen auch Späne und Reibungspunkte wird man nicht vermeiden können. Man darf nicht vergessen das die Menschen die mit eigener Kraft hier her gekommen sind natürlich auch über die finanziellen Mittel verfügten. Das wiederum bedeutet das es Ihnen in Ihrem Land gut ging und Sie evtl. auch nie hilfsbedürftig waren. Deshalb müssen wir Ihnen auf selber Augenhöhe entgegnen und nicht auf sie herab schauen, sie mit würde behandeln.
    Das ist nicht einfach aber mit dem richtigen feingefühl doch zu meistern.

    Ich habe selbst Sortiererfahrungen in Darmstadt und Neu Isenburg gesammelt und denke das man beim sortieren auch großzügig aussortieren kann (selbst in Darmstadt lagern noch 2500 Kisten nach dem schon fast alle versorgt sind).

    Mach dir einfach nicht so viele Gedanken, auch wenn es zwischen Geber und Nehmer zu einer ungemütlichen Situation kommt ist der Nehmer dir in seinem inneren sehr dankbar und du tust was gutes auch wenn es dir ein unwohles Gefühl vermittelt.

    Gott hat uns die Möglichkeit gegeben zu helfen und deshalb müssen wir helfen.

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  22. Christiane
    9. September 2015

    So gut – und so wichtig.
    Wer selbst einmal auf Hilfe angewiesen war, kennt das unangenehme Gefühl, das du beschreibst. Kennt Tränen, die von den Gebenden gern als Freudentränen gesehen werden (wollen?), die aber diesen bitteren Geschmack haben …

    Ganz liebe Grüße
    Christiane

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  23. Nicole
    9. September 2015

    Ein sehr schöner, sehr einfühlsamer Artikel, der meine Denke durchaus spiegelt, hab Dank dafür.

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  24. RevoluzZza
    9. September 2015

    DANKE! Danke, für deine so wahren und wichtigen Worte!

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  25. Marie Bastide
    9. September 2015

    Du hast eine sehr persönliche Erfahrung so geschildert, dass andere sie nachempfinden können. Das ist dir wunderbar gelungen!

    Meine Erfahrungen sind anders und entsprechen dem Sprichwort: Das Lächeln, das du aussendest, kehrt tausendfach zu dir zurück. Ich habe Menschen erlebt, die aus Glück darüber, dass sie gespendet haben, lächelten! Ich habe Menschen erlebt, denen Geben mehr Freude machte als nehmen. Und es waren nicht nur Christen 🙂

    Auf der anderen Seite habe ich Menschen erlebt, deren Bitten ein Fordern war, ich habe mich selbst schon bedrängt gefühlt, von ihnen.

    Gottes Welt ist groß, und auf ihr leben die unterschiedlichsten Menschen. Gott sei Dank und Halleluja 🙂

    Liebe Grüße, Marie

    http://www.mariebastide.de

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  26. Pingback: Linksammlung Flüchtlinge + Serena | kladdenromantik

  27. amberlight-label
    9. September 2015

    Beschreibt genau das, was auch mich nachdenklich gemacht hat – http://amberlight-label.blogspot.de/2015/08/bloggerfurfluchtlinge-essenausgabe-in.html

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  28. charly
    9. September 2015

    Hm, ich kenne leuchtende Augen… sowohl bei mir, als auch bei Anderen.
    Ich habe mein ganzes bisheriges Erwachsenenleben am Existenzminimum gelebt und war immer auf Hilfe und Großzügigkeit meiner Mitmenschen angewiesen.
    Natürlich ist das kein toller Zustand, aber trotz der Unterstützung durch den Sozialstaat reicht es einfach nicht, um zumindest halbwegs am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können… deshalb bin ich auch immer froh, wenn ich Hilfe bekomme und meine Augen strahlen bestimmt auch oft.

    Aber ja, es ist ein schäbiges Gefühl… immer Bittsteller sein, immer abhängig.
    Vermutlich hat es da leichter, wer es wie ich schon seit Jahren gewohnt ist… und auch keine Aussicht hat auf Besserung; irgendwann ist eine Art Resignation vorhanden.

    Es ist unangenehm, auf Veranstaltungen zwischen den Leuten nach Leergut zu schauen oder im Bus/der Bahn leere Flaschen mitzunehmen… weil sie eben bares Geld wert sind.

    Manchmal kommt die Scham auch erst hinterher, lange nach den leuchtenden Augen. Die Gedanken, schon wieder jemand anderem zur Last gefallen zu sein, zum Beispiel. Die Befürchtung, dass sich das Gegenüber nicht ausreichend distanzieren konnte und sich so gezwungen fühlte, etwas zu geben.

    Armut bedeutet auch ein Ungleichgewicht bei zwischenmenschlichen Beziehungen… nicht „mal eben“ Kaffee trinken gehen, oder mit dem Bus in die nächste Stadt auf einen Besuch. Kein „ach klar, bring ich Dir mit und kann ich vorstrecken“, kein Discobesuch, kein Abend in einer Cocktailbar.

    Ich bin froh, dass so viele Menschen aktuell spenden und ich hoffe, dass es nicht abreißen wird.
    Durch die momentane schlimme Lage der vielen Geflüchteten scheinen viele Menschen erst jetzt einen Blick dafür bekommen zu haben, was sie evtl. erübrigen können, um Anderen zu helfen.
    Aber es gab sie auch schon immer: Menschen, die für Gemeinwohlläden wie Oxfam, der Diakonie oder der Caritas spendeten, damit Menschen – wie ich – sich Kleidung, Hausrat und Möbel leisten können… und auch ab und an mal einen kleinen Luxus 🙂

    Selbst spende ich auch. Heute habe ich (u.A.) einen Schwung Schulhefte in eine Givebox gelegt und noch als ich da war, hat sie jemand herausgenommen.
    Sowas macht mich froh, dass es immer mehr solcher Möglichkeiten gibt zu spenden.
    Sicher sind da auch immer wieder Dinge drin/bei, die für Einige wie Müll wirken (wie Schulhefte, bei denen die ersten Seiten herausgerissen sind, in denen aber noch 20 weitere leere Seiten vorhanden sind); für Andere können sie eine Bereicherung sein.

    Was sich Menschen allerdings denken, die dreckige Kleidung etc. „spenden“… das kann ich auch nicht nachvollziehen, habe es aber selbst schon erlebt (dreckige Unterwäsche etc.).

    Tut mir leid… ein halber Roman ^^
    Ich hoffe meine Gedanken zu Deinem Text wirken nicht zu diffus.
    Liebe Grüße,
    ~die charly

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  29. Josef Schreiner
    10. September 2015

    Für alle die interessiert was unsere Kultur zum Thema Geben und Nehmen so hervorgebracht hat, für den ist das vielleicht eine gute Denkanregung: http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychohygiene/geben.html

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  30. admin
    10. September 2015

    Hat dies auf invia 1200 rebloggt und kommentierte:
    „Wir fühlen uns gut, wenn wir geben. Wir gefallen uns in dieser Rolle. Geben ist leicht. Was schwierig ist, ist nehmen. Denken wir auch an die Gefühle derer, die nehmen müssen oder ist uns unser Geben und unser Wohlbefinden wichtiger? Diese Frage stelle ich mir in letzter Zeit immer öfter. Ich habe das Gefühl, dass uns manchmal die Empathie verloren geht, während wir eifrig dabei sind, zu helfen. Unsere Empathie für die Würde anderer.“

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  31. Eric Wolf
    10. September 2015

    Vielen Dank für diesen wundervollen, wahren Text…
    Alles Liebe und Gute für Dich!

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  32. Silke
    10. September 2015

    Alles hat eine Kehrseite.
    Und die Motivation, warum Menschen spenden ist vielfältig.
    Um nur ein paar Beispiele zu nennen:
    – Der Kleiderschrank quillt eh über und man weiß nicht wohin mit den Sachen.
    – Man ist davon überzeugt, dass es so aus dem Wald herausschallt, wie man hineinruft oder Fan des Kantschen Imperativs.
    – Man möchte sich nicht nachsagen lassen, man sei knausrig.
    – Man hat Mitleid.
    – Man ist (aus verschiedenen Gründen) dazu gezwungen.
    – Man will sich selbst beweihräuchern.

    Die Menschen, die die Spenden annehmen (müssen) schämen sich vielleicht dafür, sind vielleicht glücklich darüber, dankbar oder vielleicht auch enttäuscht, weil die Erwartungen an ihr „Fluchtziel“ viel höher waren als das, was sie dort erleben?
    Vielleicht von allem etwas…

    Aber ist es nicht letztlich egal?
    Vielleicht ist die Motivation der Menschen, die mit Plakaten, Essen, Trinken und Decken zum Bahnhof fahren, um Flüchtlinge Willkommen zu heißen in erster Linie Neugier und ein bisschen Sensationslust?
    Würden sie aber nicht hinfahren, hätten die Ankommenden auch nichts davon.

    Was aber klar sein muss ist, dass jeder für seine Emotionen selbst verantwortlich ist, auch unabhängig von der Flüchtlingsthematik.
    Bezogen darauf bedeutet es aber:
    Als Gebender darf ich erwarten, eine Gegenleistung (zB Dankbarkeit, Anerkennung…) zu erhalten. Und als Nehmender darf ich nicht erwarten, dass der Gebende mein eventuelles Schuld- oder Schamgefühl annimmt.

    Ansonsten entsteht leicht eine Situation, in der aus Angst, etwas falsch zu machen oder Gefühle zu verletzen, gar nichts mehr gemacht wird.

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  33. Silke
    10. September 2015

    Korrektur!

    Als Gebender darf ich NICHT erwarten, eine Gegenleistung ….

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  34. Anja
    10. September 2015

    Hallo und salam Betül,

    sehr interessanter Artikel, vielen Dank.. In dem Zusammenhang fällt mir etwas ein: Es gibt, habe ich gelesen, Kulturen und Religionsauslegungen, wo das Nehmen, nicht das Geben als der bessere Akt betrachtet wird. Denn man gibt dem anderen die Gelegenheit, eine gute Tat zu tun (und die ist nicht nur gut, sondern wirkt sich bekanntlich auch positiv auf den Gebenden selbst aus, und sei es nur durch das „gute Gefühl“). Ich finde das gar nicht so abwegig. Viele Menschen hierzulande sind praktisch nicht imstande, etwas anzunehmen. Ist das denn etwas Positives? Oder nicht vielmehr einfach Stolz? Da sollte man mal drüber nachdenken.

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  35. Go Schumi
    10. September 2015

    Hi, liesst sich gut wie du schreibst zunächst ein Lob dafür.

    Dann allerdings zum Thema… Schwierige Situaton. Viel Psychologie. Viel Herz. Es ist leider allzu menschlich ohne weiteres erstmal nur die eigene Seite sehen zu können. Leute die schonmal in einer ähnlichen Situation waren, wie die jetzigen Flüchtlinge, wissen wovon du redest. Ist aber nicht bei allen so, und somit muss auch denen Verständnis eingestanden werden die „ein Strahlen erwarten“. Sie wissen es nicht besser – sind aber immerhin bereit Mühe und Zeit aufzuwenden um ihren Teil beizutragen, das ist auch nicht selbstverständlich. Dann gibt es sicher aber auch jene Spender die nichts erwarten, nur helfen wollen.

    Es ist eine schwierige Situation aus psychologischer Sicht. Ein Mensch muss viel gelitten haben, und viel Herz haben, um sich in die Lage der Flüchtlinge versetzen zu können oder zumindest zu erahnen was sie gerade erleben.

    Vielleicht macht es die Sache für alle Beteiligten etwas leichter wenn man denjenigen Spendern die Mitleid ausstrahlen oder Dankbarkeit erwarten zugesteht naiv zu sein.

    Auch auf Seiten der flüchtenden Menschen dürfte die Situation zweierlei sein: Es gibt jene, die bereit sind Hilfe anzunehmen und auch ehrlich dankbar für Spenden sind, sich nichts dabei denken sondern dankbar sind und das positive sehen. Auf der anderen Seite gibt es dann aber auch diejenigen wie du sie beschreibst, die sich schämen, eher missmutig sind. Auch das ist vollkommen menschlich und „in Ordnung“. Einfacher wird es dadurch für sie leider nicht. Stolz und Eitelkeit werden zur Barriere.

    Auf beiden Seiten, Helfern und Flüchtlingen, gibt es also genaue Gegenpole: Die positiv gestimmten, und die negativ gestimmten Menschen. Und auf beiden Seiten kann die Situation nur durch Ehrlichkeit, Offenheit und Respekt wohl überstanden werden.

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  36. Go Schumi
    10. September 2015

    Meinen größten Respekt liebe Betül … Man erkennt in deinen Zeilen, dass es dich sehr mitnimmt und beschäftigt. Trotzdem stellst du dich der Situation um anderen zu helfen und das ist einfach großartig!!

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  37. Christian Schüler
    11. September 2015

    Liebe Betül,

    ein guter Artikel. Wie wir diese Situation vermeiden können? Ganz einfach im Grunde. Das Verteilen der Spenden etwas sachlicher gestalten, aber dennoch herzlich. Der Mann mit der Hose zum Beispiel. „Du brauchst ´ne Hose? Na, klar! Hier!“. Bäm. 😉 Wir sind natürlich begierig darauf, in den Augen der anderen Dankbarkeit zu lesen, deshalb gucken wir den Menschen dann auch extra lange in die Augen, so, wie wir es sonst nie täten. Aber das ist einfach der Punkt: Man will eine Belohnung dafür haben, dass man etwas Gut(es) getan hat. So haben wir das ja schließlich von Kind auf gelernt. Und dadurch ist Altruismus manchmal eben doch nicht mehr als eine andere Form des Egoismus, wenn auch vielleicht seine beste.

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  38. Ronald Pabst
    11. September 2015

    Hat dies auf Ansichtssache rebloggt und kommentierte:
    Absolut lesenswert!

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  39. Petra Kumm
    11. September 2015

    Given to (Ruth Bebermeyer)

    I never feel more given to
    than when you take from me —
    when you understand the joy I feel
    caring for you.
    And you know my giving isn’t done
    to put you in my debt,
    but because I want to live the love
    I feel for you.

    To receive with grace
    may be the greatest giving.
    There’s no way
    I can separate the two.
    When you give to me,
    I give you my receiving.
    When you take from me,
    I feel so given to.

    Beschenkt werden

    Ich fühle mich nie mehr beschenkt,
    als wenn du von mir nimmst —
    Wenn du die Freude sehen kannst
    mit der ich dich umsorge
    und du verstehst, ich gebe nicht,
    damit du mir was schuldest,
    sondern weil ich die Liebe leben will,
    die für dich empfinde.

    Mit Freude zu empfangen
    ist wohl das größte Geben.
    Mir scheint es ist unmöglich
    die zwei zu separier’n.
    Wenn du mir gibst,
    schenk‘ ich dir mein Empfangen
    und wenn du von mir nimmst,
    fühl‘ ich mich so beschenkt.

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  40. Jule
    11. September 2015

    Danke, für diesen Augenöffner! Zu selten denkt man über die Gefühle anderer nach…

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  41. Laura
    11. September 2015

    Toller Text!

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  42. Cansev Duru
    16. September 2015

    Danke, danke, danke Betül 😀 Ich finde es wunderbar, dass du ein solch offensichtliches Problem gerade jetzt ansprichst. Ich war schon ganz genervt, dass scheinbar nur ich die „vielen tollen Spenden und Taten aus ganzem Herzen“ so kritisch betrachtet habe 🙂 GETEILT 😉
    Vielleicht ist der „arme“ Flüchtling, egal ob Mann oder Frau, die/der das Schrecklichste erlebt hat, nicht unbedingt ein guter Mensch im eigenen Ermessen. Sie/Er ist mir aber gleich an Wert und an Rechten, wider der eigenen Moral! Gleichheit soll als Wert, als Grundrecht, kein Wort auf einem Stück Papier, sondern eine verdammte Verinnerlichung bilden. Es ist absurd, die westlichen Rechtssysteme predigen und verankern Würde und Gleichheit als wichtigste Instanzen, und trotzdem ist es unter uns nicht verinnerlicht, nicht alltäglich.

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  43. fadenvogel
    17. September 2015

    Ich schweige zur Zeit. Ich denke, dass die Ankommenden letztendlich diese Gesellschaft bereichern. Aber ich mag die Selbstbeweihräucherung der Willkommenskultur nicht. Wie ein Trend. Letztes Jahr ein Eimer Wasser über den Kopf, dieses Jahr ein Herz für Flüchtlinge. Dabei finde ich es ja gut, dass Menschen helfen. Schwieriges Thema. Gut geschrieben.

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  44. Medusa
    20. September 2015

    Liebe Betül, das sind so wichtige Gedankengänge und sie kommen für mich gerade passend, da ich heute zum ersten Mal in meinem Leben an einen Fair-Teiler gegangen bin, um (akute Problemsituation) nach Essen zu schauen. So toll ich diese Einrichtung auch finde, so schambesetzt ist es gleichzeitig, darauf angewiesen zu sein. Vor allem vor anderen Menschen. Die neugierigen Blicke eines jungen Mannes haben diese Scham heute nämlich erst richtig aktiviert.

    Ich frage mich momentan, wo mein früheres Ich ist, das keine Probleme damit hatte, nach Hilfe zu fragen. Und ich muss sagen, ich sehe meine derzeitige Situation irgendwie auch positiv, als eine Art Lernmöglichkeit. Wie ist es, ganz direkt auf Hilfe angewiesen zu sein? Nehmen zu können ist wichtig, genauso wichtig wie Geben zu können. Vielleicht, damit man versteht, dass es ganz natürlich ist, auf andere Menschen angewiesen zu sein. Und dass man versteht, seinen Selbstwert nicht aus einem falschen Stolz über eine materielle Unabhängigkeit zu ziehen, die einen scheinbar über denen stehen lässt, die dieses Privileg nicht haben.

    Und wie gibt man richtig? Ich habe mal über einen indischen Brauch gelesen, bei dem sich diejenigen bedanken, deren Geschenke angenommen wurden. Dann könnte die Geberin z.B. darum bitten, die Sache anzunehmen. Das Ganze trotzdem möglichst pragmatisch und freundlich über die Bühne zu bringen, wie eine Kommentatorin oben schrieb, scheint mir auch hilfreich dabei, die Würde der Nehmenden zu wahren.

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  45. lilawundersterne
    20. September 2015

    Danke.

    Du hast an vielen Stellen Dinge beschrieben, für die mir bisher die Worte fehlten.

    Es macht einen Unterschied, ob ich eine Freundin frage, ob sie den Pullover mit dem Loch flicken möchte und tragen möchte (weil sie meine Sachen mag, weil sie selber nichts hat etc pp – Gründe gibt es viele dafür) oder ob ich jemand Wildfremden, in diesem Fall eben Flüchtlingen, kaputte Sachen gebe und erwarte, dass sie dankbar sein sollen, weil sie ja nichts haben und froh sein können, dass sie überhaupt was bekommen. Eine Haltung, die ich leider schon viel zu oft erlebt habe… vielleicht helfen mir deine Worte, das nächste Mal „passender“ zu reagieren.

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  46. chris
    1. Oktober 2015

    Kann man das nicht alle pragmatisch sehen ohne große Befindlichkeiten? Es werden Klamotten gespendet, nicht alle davon sind in Bestzustand, noch dazu gibt es unterschiedliches modisches Verständnis. Ich kenne genügend Beispiele, wo für „used“ Jeans ein hoher Betrag gezahlt werden muss (vgl. Brands wie J-Brand, PRPS, Kuro etc, um nur einige zu nennen).
    Also: Vielleicht gefällt jemandem eine zerrissene Jeans, vielleicht aber auch nicht. Dann bleibt der Krams halt liegen. Und müffelndes Zeugs kann man ohnehin einfach entsorgen. Aber auch da kenne ich aus meiner alten WG durchaus unterschiedliche Definition von Geruch.

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  47. Silvia..................
    1. Oktober 2015

    Zum Kotzen…..Was hier für Schleimer hier Unterwegs sind…Wie viel Obdachlose
    sind die Lezten Jahre Erfroren.Und hatten KEIN DACH ÜBER DEM KOPF NIX ZUM ESSEN KEINE RICHTIGE KLEIDUNG……..Kein ARSCH der hier Schreibt HATT GEHOLFEN…Jezt auf einmal…DIE ARMEN ASYLANTEN..Lach mich Gleich Tot….
    Schaut mal Richtig im Netz was die Anderen Zeitungen..Die NICHT Von der Deutschen Politik unter Druck Gesezt werden ALLES unter den Tisch zu Kehren.
    DAS was die Angeblich ARMEN Asylanten..Jeden Weg Schmeisen….Da würde sich jeder Deutsche freuen wen er das Umsonst Bekommen Würde….

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    • annie
      1. Oktober 2015

      Menschen wie sie sind es die mich antreiben Silvia Punktpunktpunkt.
      Ich für meinen Teil, kann mich ruhigen Gewissens als „Arsch der geholfen“ hat bezeichnen.
      Sie auch?
      Oder sind die Obdachlosen nur ein momentanes Mittel zum Zweck, um ihren Fremdenhass und ihre Misanthropie zu rechtfertigen?
      Spätestens wenn die Flüchtlinge wieder in die journalistische Bedeutungslosigkeit verschwinden, werden sie Ihre momentanen „Schützlinge“ als altbekanntes Opfer für ihre Parolen wiederentdecken.

      Ansonsten ist ihr gesamter Text inhaltlich, strukturell und Orthographisch ein einziges Desaster und entlarvt wessen Geistes Kind sie sind.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 8. September 2015 von in Allgemein und getaggt mit , , .