betül ulusoy

5 mal zu Gott und zurück & Moses, der Coole

Unser tägliches, fünfmaliges Gebet ist jeweils eine Himmelfahrt“, sagt er in seinem Ramadan-Vortrag im letzten Jahr. Ich halte diesen Satz für eine wunderschöne Metapher, die mir lange in Erinnerung bleibt und mich glücklich macht. Ich komme nie dazu, ihn zu fragen, was damit genau gemeint ist, bis ich heute – in der Nacht der Himmelfahrt – über eben diesen Satz erneut stolpere. Eigentlich ist es merkwürdig, dass ich die Verbindung nicht viel früher geknüpft habe, aber vielleicht ist es auch ein schönes Zeichen, dass ich gerade heute verstehe.

Heute gedenken Muslime der Nachtreise (al-Israh) des Propheten Muhammad (s.a.v.) „von der Heiligsten Moschee (Kaaba, Mekka) zu der fernsten Moschee (al-Aqsa, Jerusalem)“1 und seiner anschließenden Himmelfahrt (miradsch). Ein spiritueller Abend, den viele Muslime gemeinsam mit anderen Gläubigen mit rituellen Gebeten, Bittgebeten, Gesängen und Rezitationen in der Moschee verbringen, sich im Übrigen aber zumindest zu diesem Abend beglückwünschen.

Auf dieser Himmelfahrt hat Gott dem Propheten (s.a.v.) das rituelle Gebet aufgetragen. Nicht irgendwann und irgendwo also, sondern bezeichnenderweise gerade bei einem so hoch spirituellen und bedeutsamen Ereignis wie der Himmelfahrt! Das Gebet ist darum auch immer eine Erinnerung an Gott, dem Höchsten, und der Erhebung zu Ihm. Die Himmelfahrt „ist daher weitaus mehr als ein bloßer Archetyp spirituellen Erlebens, sondern verdeutlicht die tiefe Bedeutung des Gebetes, das uns durch das Wort des Ewigen befähigt, unser Bewusstsein von der Ungewissheit von Raum und Zeit zu befreien und den Sinn des Lebens wahrhaftig zu begreifen.“2 Das bedeutet: Fünf mal am Tag zu Gott und wieder zurück! Fünf mal täglich eine Himmelfahrt – Kann es etwas aufregenderes und schöneres geben?

Wehe denn den Betenden, die in ihren Gebeten nachlässig sind.“ (Qur’an, 107:4 und 107:5)

Wehe uns, die wir den Genuss des Gebets nicht empfinden.

Ich erinnere mich heute noch an etwas anderes. Seit meiner Kindheit war Musa (Moses) a.s. mein Lieblings-Prophet, den ich immer als besonders „cool“ empfand. Eines meiner Lieblingsgeschichten in Bezug auf ihn steht ebenfalls in Zusammenhang mit der Himmelfahrt und dem Gebet. Denn das ursprüngliche Gebot lautete – der Legende nach – nicht, dass Muslime fünf mal am Tag beten sollten, sondern: Betet 50 mal am Tag! Ich weiß noch, wie ich die Luft anhielt, als ich das als Kind zum ersten mal gehört hatte. Als sich der Prophet (s.a.v.) mit diesem Auftrag auf dem Rückweg befand, begegnete er (erneut) Musa (a.s.), der vom Propheten wissen wollte, was ihm Gott aufgetragen hatte. Er muss wohl auch die Luft angehalten haben, als er vom fünfzigmaligen Gebet hörte, denn er war der Meinung, dass das die Muslime niemals schaffen würden und überredete darum den Propheten (s.a.v.) noch einmal zu Gott zurück zu kehren und Ihn zu bitten, das Gebet zu reduzieren. Die Legenden unterscheiden sich, doch in meiner Kindheitsgeschichte reduzierte Gott daraufhin das Gebet auf 45. Immerhin. Als der Prophet (s.a.v) zurück bei Musa (a.s.) war und ihm die frohe Botschaft überbrachte, war diesem das nicht genug und er schickte den Propheten Muhammad (s.a.v.) erneut zu Gott, damit er Ihn bitten möge, die Anzahl der täglichen Gebete zu erleichtern. So ging das nun eine ganze Weile hin und her: Immer kam der Prophet Muhammad (s.a.v.) zu Musa (a.s.) zurück, der neugierig nach der neuen Absprache fragte und immer meinte er, er sei noch zu viel und schickte den Propheten Muhammad (s.a.v.) zurück. Irgendwann kam der Prophet (s.a.v.) dann mit dem Auftrag von fünf Gebeten zurück – Auch das war Musa (a.s.) zu viel, aber der Prophet schämte und weigerte sich, noch einmal zu Gott zurück zu kehren und so blieb es bei den fünf Gebeten. Gott verkündete aber, dass jedes verrichtete Gebet bei ihm den zehnfachen Wert haben werde und wir am Ende des Tages also nach wie vor den Lohn von fünfzig Gebeten erhalten. Kein Grund also, Musa (a.s.), dem Coolen, nachtragend für entgangenen Genuss zu sein.

Was bleibt einem jetzt noch übrig, als das Gebet des Propheten Abraham zu wiederholen: „O mein Herr! Mache, dass ich und meine Kinder das Gebet verrichten. O unser Herr! Nimm mein Gebet an! ” (Qur’an: 14:40) und uns allen eine schöne Nacht voller Gebete, in denen wir unseren Schöpfer erreichen und Bittgebete, in die wir uns hoffentlich gegenseitig mit einschließen, zu wünschen. Miraç kandilimiz mübarek ve hayirlara vesile olsun…

_ _ _

1 Qur’an (17:1)

2 Tariq Ramadan: „Muhammad – Auf den Spuren des Propheten“

2 Kommentare zu “5 mal zu Gott und zurück & Moses, der Coole

  1. Schwester S.
    16. Mai 2015

    Wunderschön geschrieben 🙂 masha Allah. Was ich auch noch so schön finde über die Nachtreise ist, dass sie kurz nach dem Tod von Kadija(ra) statt fand. In einer Predigt sagte ein Imam, der Prophet (sas) war so traurig über den Tod seiner Ehefrau dass Allah ihn durch nichts Geringeres als durch die Erfahrung der direkten Gegenwart Allahs zu trösten bestimmte…

    Gefällt 2 Personen

  2. Hans Fejs Buk
    10. Juli 2015

    welche anderen geschichten kannst du empfehlen rund um moses, jesus und abraham (frieden sei auf ihnen allen)?

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 15. Mai 2015 von in Allgemein und getaggt mit , , , , , , , , , .
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