Es wurde ein langer Abend mit Freundinnen, Café-hopping durch Kreuzberg, ausgelassen lachen, endlich entspannen.
Als die Zeit zum Verabschieden naht, wird es doch noch einmal ernst.
Sie kennt mich schon seit Ewigkeiten. Selbst zwar nicht gläubig, hat sie sich schon immer für meinen Glauben interessiert. Einfach, weil sie sich für mich als Mensch und Freundin interessiert hat und weil mein Glaube eben zu mir als Mensch und Freundin gehört. Seit ich elf Jahre alt bin begleitet und unterstützt sie mich deshalb und kennt mich, wie sonst sehr wenige Menschen. „Ich frage mich manchmal wirklich, wie du das alles noch immer schaffst. Seit Jahren immer wieder die selben Fragen und Veranstaltungen. Ich hätte wohl nicht diese Geduld aufbringen können. Mich macht die Ignoranz vieler Menschen wütend“, sagt sie. Erst neulich hat sie mich wieder bei einer Moscheeführung beobachtet und war erschrocken, wie freundlich wir auf Fragen reagieren, die manchmal recht arrogant und herablässig gestellt werden. Ich erinnere mich kurz an einen meiner letzten Blog-Einträge, als ich darüber schrieb, dass mir diese lange Zeit oft gar nicht bewusst ist und mich die Hoffnung auf bessere Zeiten immer weiter treibt.
Ich erkläre ihr aber vor allem: „Alle Menschen, die an meinen Führungen oder an Veranstaltungen mit mir teilnehmen und Fragen stellen, stellen diese Fragen im Grunde genommen das erste mal. Natürlich habe ich diese Fragen vorher schon hundert mal beantwortet – Aber anderen Leuten. Ich habe die Antworten schon hundert mal selbst gehört – Diese Leute aber nicht. Ich kann ihnen das darum nicht vorhalten. Dass sie jetzt Fragen, ist völlig normal und schön. Anders ist es, wenn ich mich manchmal schon zwei Stunden mit einer Gruppe unterhalte und am Ende noch jemand fragt, ob ich den IS gut finde. Das verzweifelt mich dann schon ein wenig, kommt aber sehr selten vor.“ – „Ja“, sagt sie: „Aber dennoch: Die Fragen, die zum Teil gestellt werden, sind doch total dämlich. Ärgert es dich nicht, dass sie so wenig über den Islam wissen?“
Damit stellt sie eine Frage, die ich generell als problematisch empfinde. Auch als Forderung oder Erwartung von Muslimen selbst. Warum wissen die Menschen so wenig über den Islam? Nun ja: Warum sollten sie? Es gibt so vieles auf der Welt, über das man sich informieren könnte. Warum soll sich jeder Mensch für Religion interessieren müssen. Ich finde, dass sich jeder Mensch über unseren Plastikverbrauch informieren sollte, über die Ausbeutung Südamerikas und Afrikas und über die Waffenlieferungen unseres Landes. Ich finde, jeder sollte über ein Mindestmaß an Allgemeinwissen verfügen und mindestens einmal Schwanitz‘ „Bildung“ und Ansary’s „Die unbekannten Mitte der Welt“ gelesen haben. Ich finde, ein gesundes Grundwissen über alle großen Religionen gehört zu dieser Allgemeinbildung. Aber das ist meine Ansicht, weil diese Dinge für mich wichtig sind. Jemand anderes würde die Schwerpunkte vielleicht anders setzen und das wäre in Ordnung. Ich kann meine Interessen nicht zum Maßstab für alle machen. „Nicht jeder Mensch muss sich für meine Religion interessieren“, antworte ich deshalb: „Eine Verantwortung dazu erwächst nur dann, wenn Menschen sich heraus nehmen, darüber zu diskutieren oder darüber zu urteilen. Dann wird Wissen erforderlich. Sonst freue ich mich über Interesse, auch ohne Wissen.“
Sie ist noch nicht wirklich zufrieden. „Die Arroganz und Selbstverständlichkeit, mit der Einige fragen, stört mich aber sehr“, meint sie. „Man kann doch etwas freundlicher und vorsichtiger sein. Nicht einmal ich würde mich trauen, mit so einer Selbstgefälligkeit zu fragen und wir kennen uns schon ewig.“
Das gibt mir dann doch zu denken. Sie hat Recht. Auch das wird mir selten bewusst. Uns wird in der Moschee eingetrichtert, freundlich und geduldig mit den Menschen umzugehen. Unabhängig davon, wie sie mit uns umgehen. Wir stecken Arroganz und Überheblichkeit mit einem Lächeln weg. Immer. Dabei gibt es sie, die, die von oben herab fragen. Man sieht es schon an ihrer Körperhaltung. Sobald sie zur Frage ansetzen, lehnen sie sich zurück, machen die Beine breit oder strecken sie aus, verschränken die Arme vor der Brust. Du hast dich mir gefälligst zu erklären. Du hast eine rückständige Religion. Du bist hier die Minderheit. Du bist in der Bittstellung. Ich entscheide darüber, ob deine Antwort annehmbar ist. Ich bin der aufgeklärte von uns beiden. Ich bin dir überlegen. Eine Überlegenheitsmentalität, wie aus der Kolonialzeit. Rückständigkeit pur. Manchmal spiegelt sie sich auch in den ewigen Forderungen an „den Islam“ wieder, die aus Politik und Öffentlichkeit gestellt werden. Diese Einstellung verärgert mich in der Tat, gestehe ich ihr. Sie hat mich erwischt, auch wenn ich oft die Augen davor verschließe. Wer sind sie, dass sie sich für etwas besseres halten? Sie alle müssten einen Grundkurs in Freiheit und Demokratie absolvieren. Aber ich schlucke es runter. Wie oft.
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Sehr lesenswert in diesem Zusammenhang:
„Was sich in solchen Ratschlägen für die vermeintlich rückständigen Muslime Bahn bricht, ist nichts anderes als der schon aus der Kolonialzeit bekannte abendländische Missionsdrang. Früher fuhren Europäer in den Urwald, fest davon überzeugt, die dortigen Wilden könnten nur erlöst werden, wenn sie so werden wie wir. Dieses Überlegenheitsgefühl drückt der ach so tolerante und aufgeklärte Deutsche im 21. Jahrhundert natürlich anders aus. Großzügigerweise gesteht er heute den Heiden sogar deren Religion zu, sofern sie diese bitte nach dem eigenen Vorbild umgestalten.“
Aus: Max Borowski: „Warum rülpsen und furzen die Muslime nicht?“
Foto (c) Christina Sabrowsky
„Was sich in solchen Ratschlägen für die vermeintlich rückständigen Muslime Bahn bricht, ist nichts anderes als der schon aus der Kolonialzeit bekannte abendländische Missionsdrang. Früher fuhren Europäer in den Urwald, fest davon überzeugt, die dortigen Wilden könnten nur erlöst werden, wenn sie so werden wie wir. Dieses Überlegenheitsgefühl drückt der ach so tolerante und aufgeklärte Deutsche im 21. Jahrhundert natürlich anders aus. Großzügigerweise gesteht er heute den Heiden sogar deren Religion zu, sofern sie diese bitte nach dem eigenen Vorbild umgestalten.“
Sorry, aber das ist Unfug. Man kann einer offenkundig anderen Kultur gegenüber die Zusage einfordern, sich an lokale Gesetzmäßigkeiten (bzw. Gesetze) zu halten und nicht die Religion über den Rechtsstaat zu stellen. Dieses gelingt vielen Migranten/Religionen ohne großen Aufwand. Oder weiß man von Stress mit der großen japanischen Community in Düsseldorf (Buddhismus/Shinto)? Natürlich nicht. Auffälliges Verhalten zeigt nur eine spezielle Klientel allesamt zugehörig zu einer Religion, wobei man auch sagen muss, dass es meist ein männliches Problem ist dank einer unerträglichen Macho-Kultur.
Ist aber alles kein Problem: Es gibt genügend Ausweichmöglichkeiten mit der Scharia als Staatsform. Da passt dann auch ein Kopftuch – natürlich ganz freiwillig getragen – ins Stadtbild.
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