betül ulusoy

Selfie mit dem Minister #Weltfrauentag

Es ist wahnsinnig voll auf dem Empfang der Bundesministerin Manuela Schwesig anlässlich des Internationalen Frauentages. Und ziemlich enttäuschend auch – vor allem, weil die Gäste unerwartet homogen sind. So wie Leila und ich sieht hier kaum jemand aus. Das hatte ich auf einer Veranstaltung in Deutschland 2015 eigentlich nicht mehr für möglich gehalten.

Wir haben uns trotz arbeitsintensiver Woche Zeit frei geschaufelt, weil wir auch in Deutschland 2015 noch lange nicht am Ziel sind, was Frauenrechte angeht. Besonders, was die Rechte von muslimischen Frauen betrifft. Zwar preist die Ministerin in  ihrer Rede die Frauenquote hoch an. Doch wenn gesagt wird, dass Frauen mehr in Führungsebenen präsent sein sollen, meint man damit leider noch immer nicht, dass auch Frauen mit Kopftuch Präsenz zeigen dürfen. Muslimische Frauen haben es noch immer unsagbar schwer, auch nur eine Ausbildungsstelle zu finden. Ihnen bleiben auch trotz Quote weiterhin viele Türen versperrt. Eine Mehrfachdiskriminierung, über die wir heute mit der Ministerin sprechen wollen. Denn auch wenn sie heute Abend über Unterdrückung von Frauen durch Religionen spricht – Von Unterdrückung und Diskriminierung von Frauen auf Grund religiöser Identität spricht hier niemand. Die meisten wissen nicht ein mal um die Schwierigkeiten und Hürden. Sie  haben ganz andere Lebenswirklichkeiten. Verbände, Organisationen und Ministerien müssen uns aber auf dem Schirm haben, wenn sich in Deutschland in Zukunft etwas ändern soll. Dass ich mich allein ärgere oder versuche,  mein eigenes Süppchen zu kochen, schafft leider keine Abhilfe. Also muss ich meine Anliegen selbst auf meine Agenda setzen und darüber mit anderen in Kontakt treten, bis auch sie das zu ihrer Angenda machen. Eine Art Lobbyarbeit – Mit dieser Absicht sind wir heute gekommen. Die Ministerin werden wir aber bei dieser Masse wohl nicht sprechen können, das sehen wir schnell ein. Wir sitzen darum frustriert am Rand,  schlürfen an unserem Wasser und lästern über die, die uns anstarren. Der Abend ist eine reine Zeitverschwendung.

Die Ministerin begrüßt ein paar Gäste namentlich. Plötzlich schauen wir uns mit Leila grinsend an: Frau Pisal, Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes. Yay! Sie rückt sofort in unserer Agenda für heute Abend auf Platz eins. Ein riesen Hindernis auf dem Weg zu Gleichberechtigung und Teilhabe ist das Neutralitätsgesetz. Änderungen in diesem Bereich bedürfen Juristen . Wir wissen, dass wir pokern, wenn wir die Präsidentin ansprechen. Juristen denken erfahrungsgemäß unterschiedlich über dieses Thema. Nicht, weil das Recht unklar wäre, sondern weil eben vielfach auch Recht subjektiv ausgelegt wird. Frau Pisal wird dennoch schnell gegoogelt, in der Masse gesucht und auf der Bühne gefunden. Wir sprechen sie an, stellen uns vor, erzählen von unseren Erfahrungen – persönlich, aber auch wissenschaftlich und rechtlich. Frau Pisal sagt: „Aber dennoch ist das Kopftuch auch ein Zeichen der Unterdrückung!“. Wow. Ihre Argumentation hat leider weniger etwas mit juristischer Auseinandersetzung zu tun als vielmehr mit Feminismus nach Alice Schwarzer. Eine weitere Enttäuschung heute. Spätestens als sie sagt, wir würden doch hervorragend Deutsch sprechen, wissen wir, dass wir auf verlorenen Posten sitzen. Immerhin kann ich sie überzeugen, dass ihr Bund sich einmal mit Musliminnen zusammen setzen und austauschen sollte. Kennenlernen schafft Kenntnis und Verständnis und bewirkt im Idealfall Vertrauen und Veränderung, hoffe ich. Sie  gibt mir ihre Karte. Wir wollen ein gemeinsames Gespräch organisieren. Immerhin.Die Büroleiterin der Ministerin hat uns beobachtet. Wir sind befreundet. Sie fragt, wie das Gespräch lief und ist ein wenig entsetzt. „Gut“, sagt sie: „Dann sollte ich versuchen, euch doch der Ministerin vorzustellen!“ Es klappt. Sie nimmt sich sogar lange Zeit für uns und hat eine vereinnahmende Art. Man fühlt sich wichtig und ernst genommen. Ein paar mal sagt sie: „Warten Sie, nicht so schnell, ich komme nicht hinterher“ und stellt viele Nachfragen – auch kritische. Das freut mich. Sie meint: „Ich frage Sie herausfordernd, weil ich mich noch nicht ausreichend mit dem Thema beschäftigt habe und das gerne wirklich verstehen möchte“. Das ist ein wunderbarer Start.

Eine Freundin fragt mich beim Kaffeetrinken, ob ich glaubte, ich könnte mit meinem Engagement die Welt retten. Nein, natürlich nicht. Allerdings wird mich Gott auch nicht danach fragen, ob ich erfolgreich die ganze Welt gerettet habe, sondern was ich dazu beitrug, sie ein wenig besser zu machen. Noch schnell einen Baum pflanzen, auch wenn die Welt untergeht.

Darum ärgert mich an diesem Abend nachhaltig auch nur eins: Dass Leila und ich die Einzigen waren. Dass wir als Einzige mit unserer Agenda Gespräche gesucht, Standpunkte vertreten und vor Ministerienkameras dokumentiert haben. Dass die wenigsten von uns aus ihren Communities heraus kommen, um sich Verbündete zu suchen. Dass die, die solche Veranstaltungen besuchen, oft interessierter an einem Selfie mit dem Minister für Facebook sind, als einem Gespräch und der Verfolgung einer „Agenda“. Dass die, die Zugang zu solchen Veranstaltungen haben, ihren Platz hüten, als wäre es Gold und selten Menschen auch einmal mitnehmen, denen manche Türen nicht immer offen stehen: „Nein, nur ich möchte ein Selfie, dann bin auch nur ich besonders!“ – Kann das der Sinn sein? Der Grund, warum uns Gott bestimmte Wege öffnet? Werden wir das vor Ihm rechtfertigen können?

Natürlich gibt es ganz wunderbare Beispiele von Geschwistern, die das bereits seit Ewigkeiten tun, keine Frage. Es dürfen sich nicht immer die Falschen angesprochen fühlen. Ausbaufähig ist und bleibt das dennoch.

Die Welt von zu Hause retten ist schwierig. Lasst uns doch hinaus gehen – gemeinsam! – mit Menschen sprechen und Bündnisse schließen, die uns helfen können, unsere Interessen zu vertreten. Lasst uns Türen öffnen, nicht nur für uns persönlich. Damit Präsidentinnen wie Frau Pisal nicht nur Frauen wie Seyran Ates kennen und mir als Gegenstimme benennen. Sondern kluge Frauen wie Leila die Stimme erheben können, wenn es um Frauen wie sie geht. Selbtbestimmt.

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3 Kommentare zu “Selfie mit dem Minister #Weltfrauentag

  1. guezeltepe
    8. März 2015

    Danke Frau Ulusoy für die interessante Veranstaltung heute in Bremen. Frauen mit Ihrer Artikulationsfähigkeit und Ausstrahlung, müssten öfter zu Wort kommen dürfen bzws. das Wort ergreifen. Dann wird immer deutlicher, dass der Islam zu Deutschland gehört, wie alle anderen Religionen auch. Die zu ihm gehörenden Frauen müssen genauso für ihren Lebensunterhalt Geld verdienen, wie alle anderen Frauen auch. Dafür sollten wir Frauen gemeinsam kämpfen. Und für vieles mehr. Ich freue mich sehr durch die heutige Veranstaltung auf sie aufmerksam geworden zu sein.

    Gefällt 1 Person

  2. M
    8. März 2015

    Mir hat noch niemand plausibel erklären können, weshalb es mehr Frauen irgendwo geben sollte. Sind Männer nicht gut genug oder irgendwie unethisch? Immerhin haben Männer diese Unternehmen aus dem Nichts geschaffen. Ist „weiblich“ allein ein Qualitätsmerkmal? Gibt es Nachweise über Vorteile? Der Chef der BVG ist eine Frau und dennoch steigen die Fahrpreise. Weird, denke ich.

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  3. Feminismus ist vom Shaytan
    9. März 2015

    Die Autorin dieses Artikels sollte sich mal mit dem Islam befassen, anstatt sich für Rechte ein zu setzen, die der Frau laut Scharia ohnehin nicht zu stehen. Im Islam gibt es keine Gleichberechtigung der Geschlechter, erst recht keine sozialistische Frauenquote. Und wenn Musliminnen, die ohnehin nichts – ausser es ist wirklich notwendig – auf dem Arbeitsmarkt zu suchen haben, da die Muslim ohnehin Hausfrau und Mutter ist, keine Arbeit finden, dann besteht die Lösung in einer Solidarisierung der Muslime untereinander indem Sinne als muslimische Arbeitgeber Musliminnen einstellen – also kurz: Parrallelgesellschaft – in einer multireligiösen und -ethnischen Gesellschaft das normalste der Welt und nicht in einem Opfergewinsel, bei dem wieder nach Quoten gefordert wird (damit das dann „Quotenkanacke“ heißt und wir noch mehr gehasst werden oder wie? Und damit es dann Quoten für Schwule gibt und wir Muslime dann Schwule einstellen müssen, Quoten sind ein Verstoß gegen das Eigentumsrecht!) . Wir tappen hier in eine Falle. Es wird Zeit, dass etablierte Muslime sich von unislamischem linke Gedankengut trennen und aufhören blind linken Marktschreiern zu folgen nur weil sie von Rechts angefeindet werden.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 7. März 2015 von in Allgemein und getaggt mit , , , , , , , .
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