betül ulusoy

Traumberuf: Topmodel

In unserer Gesellschaft ist der weibliche Körper normiert. Wer als Frau etwas Wert sein möchte, muss sich diesen Vorgaben unterordnen. Nicht nur Germany’s next Topmodel gibt vor, wie frau zu sein hat. Die gesamte Werbe-, Film- und Musikindustrie propagiert ein Frauenbild, das durch den Körper definiert wird. Bis ins hohe Alter muss die Frau ansehnlich oder wie Carolin Kebekus es sehr viel drastischer ausdrückt: „von 15 bis 75 f*ckable“ bleiben. Eine ganze Mode- und Kosmetikindustrie macht so Milliardengeschäfte auf Kosten von Frauen. Diese Entwicklung macht mir Angst. Es macht mir Angst, wenn kleine Mädchen im Kindergartenalter sagen, sie würden gern Topmodel werden, wenn sie einmal groß sind. Wir können als Frauen so viel mehr bieten, als nur unseren Körper und wir sollten uns unter keinen Umständen auf ihn reduzieren lassen. Feministinnen haben nicht Jahrzehnte für die Emanzipation gekämpft, damit Mädchen jetzt ihre Lebensziele anhand von Castingshows definieren. Vom Patriarch befreien, um uns den Doktrinen nicht selten männerdominierter Industrien unterzuordnen, kann nicht der Sinn gewesen sein. Für muslimische Frauen hat die Bedeckung darum in diesem Zusammenhang einen emanzipatorischen Charakter. Ich verhülle meinen Körper, damit Menschen nicht nur mein Äußeres wahrnehmen. Ich habe mehr vorzuweisen. Herz und Verstand zum Beispiel. Ich entscheide selbst über meinen Körper und entziehe mich der Bewertung und dem Druck durch die Außenwelt. Ich liebe meine Weiblichkeit und ich bin gerne Frau. Aber ich bestimme selbst, in welchen Kontexten und wann ich in erster Linie als Frau wahrgenommen werden möchte. An meiner Arbeitsstelle möchte ich das beispielsweise nicht. Dort möchte ich dieselbe Arbeit erledigen dürfen, wie mein männlicher Arbeitskollege ohne Anspielungen auf mein Frausein und ich möchte für die gleiche Arbeit gefälligst auch dieselbe Entlohnung wie mein männlicher Arbeitskollege erhalten. Am Arbeitsplatz bin ich in erster Linie Mensch und mein Geschlecht spielt allenfalls eine untergeordnete Rolle. Das ist zwar ein schöner Gedanke, der hinter der Bedeckung steckt“, meint eine Journalistin, mit der ich mich darüber austausche, „aber so denkst doch nur du. Viele andere Frauen tragen das Kopftuch aus Zwang oder zumindest auf Druck der Gesellschaft.“ Natürlich, nicht jede Frau teilt meine Gedanken. Aber nicht wenige muslimische Frauen tragen ein Kopftuch, weil sie sehr starke, unabhängige und selbstbewusste Frauen sind, die eine sehr kluge und mutige Gesellschaftskritik betreiben und sich auch deshalb sehr bewusst für das Kopftuch entscheiden. Die meisten Frauen – das zeigen Befragungen – tragen das Kopftuch aus religiöser Motivation. Es ist für sie ein höchstpersönlicher und spiritueller Akt, der sie an ihren Schöpfer erinnert und sie Ihm nahe bringt. Selbstverständlich gibt es auch jene, die es aus traditionellen oder modischen Gründen tragen. Was auch immer der Grund ist: Es ist immer eine persönliche, oft langwierige Entscheidung der Trägerin selbst, in die sich niemand, egal ob auf muslimischer oder nicht-muslimischer Seite, einmischen darf. Die Journalistin hat Recht. Muslimische Frauen sind sehr häufig auch Zwängen ausgesetzt. Doch nur in Ausnahmefällen werden diese von ihren Vätern, Brüdern oder Ehemännern ausgeübt – auch das belegen empirische Untersuchungen. Ich bin es leid, ständig betonen zu müssen, dass meine Eltern gegen meine Entscheidung für das Kopftuch waren und meine Tante gar den Kontakt zu mir abbrach. Ich bin es ziemlich leid, dass mein Vater ständig unter Generalverdacht steht, ein Unterdrücker zu sein. Die Entscheidung für das Kopftuch ist keine Familienentscheidung, sondern eine persönliche. Darum entschied ich mich dafür, meine Schwester dagegen. Es ist in vielen Familien so, dass einige Frauen ein Kopftuch tragen, andere nicht. Gerade weil es eben individuell ist und vor allem: Das Kopftuchtragen erfordert Stärke und Mut. Denn wenn wir muslimischen Frauen von Zwang im Zusammenhang mit dem Kopftuch reden, ist vielmehr der Druck gemeint, den meine Sportlehrerin auf meine Schulfreundin ausübte, indem sie ihr verbot, mit Kopftuch am Sportunterricht teilzunehmen. Es ist der Vermieter gemeint, der einem meiner Freunde rundheraus signalisierte, er würde die Wohnung für seine junge Familie nicht bekommen, weil seine Frau ein Kopftuch trägt und er keine Kopftuchträger im Haus wolle. Es ist die Redakteurin gemeint, die meiner Freundin erklärte, sie könne nicht an einer öffentlich-rechtlichen Talkrunde teilnehmen, weil das deutsche Publikum noch nicht bereit sei für eine Expertin mit Kopftuch, die außerhalb eines Islam-Themas spräche. Es ist die strukturelle Diskriminierung in unserer Gesellschaft gemeint, die mir untersagt, meinen Beruf als Juristin frei auszuüben. Ob ich einer Frau versuche, gegen ihren Willen ein Kopftuch aufzudrängen oder ob ich einer Frau versuche, gegen ihren Willen das Kopftuch wegzuzerren: Beides ist Zwang und es erstaunlich, dass das oft gar nicht realisiert wird. Ich bin wirklich sehr glücklich, dass ich Deutschland meine Heimat nennen darf. Ein Land, in dem ich als junge Frau so viele Möglichkeiten der Selbstverwirklichung habe. Ich wünschte nur, ich würde seltener die Erfahrungen machen müssen, wie engstirnig manche von uns noch immer sind. Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden. Es ist keine große Kunst, dann von Freiheit zu sprechen, solange sich mein Gegenüber meinen persönlichen Idealen unterordnen. Wichtig ist, dass wir für die Freiheit aller gerade auch dann einstehen, wenn ihr Lebensweg und ihre Entscheidungen sich nicht immer mit den eigenen Vorstellungen decken. Das bedeutet, dass eine Frau selbst entscheiden können muss, ob sie ein Minirock oder ein Kopftuch trägt. Diese Entscheidung ist dann aber weder verhandelbar, noch bewertbar von Außenstehenden. Es ist allein ihre Freiheit.

8 Kommentare zu “Traumberuf: Topmodel

  1. Feminismus ist vom Shaytan
    10. Mai 2015

    Ich habe Kritik zu üben: Die Autorin spricht sich hier in dem Artikel zum Einen brav politisch korrekt für die Frauenemanzipation aus – eine Bewegung, welche konträr zu islamisch – patriarchalischen Werten sowie islamischen Familienwerten steht und zum Anderen für die Freiheit von Frauen, Miniröcke tragen zu dürfen. Es ist etwas Anderes, die Tatsache zu akzeptieren, dass wir in einem nicht-islamischen Land leben, wo dies erlaubt ist, aber sich dafür – also für eine aus islamischer Sicht Sünde – ein zu setzen ist genauso wie sich für die Freiheit ein zu setzen in ein Bordell zu gehen. Das ist Propagieren von Unmoral und der Muslim ist angehalten das Gegenteil zu tun.
    Außerdem gibst in deiner Behauptung, das Kopftuch sei im Grunde ein feministisches Symbol nur die These wieder, die westliche Feministinnen Musliminnen in den Mund legen, um sie für den Feminismus zu vereinnahmen, ohne es zu merken, das gleiche gilt für deine grundsätzliche Verurteilung des Patriarchats.
    Es gibt ein böses und ein gutes Patriarchat. Das Böse kommt in Form des Rotlicht-Milieus, der Mode- oder Filmbranche wie du treffend veranschaulichst daher, das gute, islamische jedoch schützt die Frauen in der Vormundschaft des Mannes etwa vor solchen Ausbeutungen.
    Das Mädchen sich heute in solchen Milieus freiwillig erniedrigen lassen, zeigt wie sehr das Patriarchat, also die Herrschaft des Mannes über seine Familie und die Frau notwendig ist.
    Gäbe es eine patriarchalische Autorität, gäbe es sowas nicht, denn die Tochter, die Frau oder Verlobte wäre an ihrem Zopf wieder ins Haus gezogen.
    Vergiss nicht, dass der der Frau Koran befielt, dem Mann zu gehorchen.
    Möge Allah uns alle rechtleiten.

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  2. Feminismus ist vom Shaytan
    10. Mai 2015

    Im vorletzten Absatz fehlt natürlich ein „werden“ und es müsste heißen, dass der Koran der Frau befielt, dem Mann zu gehorchen.

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  3. Wolfram Maria Schröckenfuchs
    12. Mai 2015

    ‘… dass der Koran der Frau befielt, dem Mann zu gehorchen.’

    Naja, das klingt ja nicht gerade recht zeitgemäß – ich kann mich nur wundern,
    dass das heutzutage wirklich jemand so glauben mag und offenbar auch kann.

    Was ich aber schon längst einmal fragen wollte – wie kann ich das verstehen:
    Gibt der Koran tatsächlich Befehle aus oder sind es eher Empfehlungen?

    In der Bibel ( neues Testament ) sind es ja Empfehlungen; bzw auch die ‘10 Gebote’ und nicht die ‘10 Befehle’.

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  4. culbia
    12. Mai 2015

    Wie erfrischend einmal von einer Muslimin zu hoeren dass das Kopftuck einen emanzipatorischen Charakter hat – ich hab mich mit dem Islam mal etwas befasst und dieser Gedanke ist mir durchaus auch schon gekommen. Egal ob es dem Schoenheitsideal entsprichst oder nicht, Dein Aeusseres wird gerade als Frau staendig bewertet und verglichen, aber verschleiert sind wir zumindest ein bisschen was gleicher und womoeglich sogar weniger verletzlich weil wir unserem Umfeld diese Bewertungsmoeglichkeit entziehen…?

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  5. Sehr geehrter Herr Schröckenfuchs,

    danke für Ihre interessierte Frage. Zunächst einmal: Was gerade „zeitgemäß“ ist, ist für einen Muslim vollkommen irrelevant. Wir folgen Koran und Sunnah und nicht irgendwelchen Trends, die von degenerierten Kreisen gesetzt werden. Was gut und was böse ist, ist immer gleich – vollkommen unabhängig von zeitlichen oder sonstigen Umständen. Morden, Stehlen, Betrug etc. sind immer böse und werden es hoffentlich bleiben. Und das gleiche gilt für Ehebruch und sonstige Formen der Unzucht etwa.
    Genauso ist es völlig normal, dass Institutionen wie Firmen, Sportvereine, Staaten und eben auch die Familie, welche aus Gruppen, die sich wiederum aus Individuen zusammen setzen, bestehen, einer Führung bedürfen, weil sie sonst jeweils zerfallen würden. Und im Islam ist nun mal aus naheliegenden Gründen der Mann das Familienoberhaupt. Von daher verliert das Patriarchat etwa in dieser Form niemals seine Legitimität.
    Selbstverständlich geben Koran und Sunnah Befehle – so wie die Bibel übrigens auch. Wollen Sie etwa behaupten, dass Gebot „du sollst nicht töten!“ z. B. sei „freiwillig“? Ich denke es wäre für das Miteinander in einer Gesellschaft nicht förderlich, sollte es sich hierbei lediglich um eine Empfehlung handeln.

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    • the_real_siteadmin
      13. Mai 2015

      […Wir folgen Koran und Sunnah und nicht irgendwelchen Trends, die von degenerierten Kreisen gesetzt werden….]
      Der unbedingte Wille zur geistigen Selbstbeschränkung, zur Selbstverblödung ist bei Ihnen in jedem Satz sichtbar. So kann nur jemand schreiben, der sich und seinen Geisteskräften selbst nicht traut, von einem mündigen (Geistes)Leben überfordert ist – 150% Konvertit? Es würde passen.

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    • the_real_siteadmin
      13. Mai 2015

      Dass Sie ein agent provocateur sind, diese Möglichlichkeit habe ich noch nicht verworfen, zu dick aufgetragen ist Ihr Auftritt hier.

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  6. Ray
    14. Juni 2015

    Die Kritik an der sexistischen Betrachtung der Frau ist absolut gerechtfertigt, doch zweifle ich an ausgerechnet dem Mittel des Kopftuchs als Ausdruck dagegen, denn gerade das Kopftuch ist ein traditionelles Instrument der sexuellen und allgemeinen Herrschaft über die Frau. Überhaupt: Warum denn die Haare? Den Haaren haftet in der modernen Gesellschaft kaum etwas Sexuelles an. Da wäre das Tragen von Kleidung, die wenig durchblicken lässt, schon sinnvoller. Außerdem ist belegt, dass z.B. in Ägypten, das sicher ein extremes Beispiel für die Unterdrückung der Frau ist, Frauen mit Kopftuch und allgemein konservativer Bekleidung genauso sexuell belästigt werden wie modern gekleidete Frauen. – Nein, nicht die Frau sollte sich so oder so kleiden, um der sexualisierten Sicht des Mannes zu begegnen, sondern der Mann ist es, der sein Verhalten korrigieren muss. – Ein kleines Beispiel: Warum trifft man denn selber in einer so modernen Stadt wie Berlin türkische junge Frauen extrem selten in Kneipen, Bars und Discos, während die jungen türkischen Männer sich davor drängeln. Für Frauen, heisst es bei diesen „Jungen“, gehöre es sich nicht, die Männer selber aber gieren durch die Nacht. Ehrlich gesagt, das ist nichts anderes als Verdummung. Wenn dann eine Muslimin freiwillig das Symbol der Reaktion trägt, fragt man sich schon: Alles klar bei Dir? Ist jetzt nicht persönlich gemeint.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am 10. Mai 2015 von in Allgemein und getaggt mit , , , .
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