Ich habe einen Traum: Ich möchte kündigen – und Hausfrau sein.
Ich möchte nicht länger meine Tochter um halb sechs wecken und um sieben im Kindergarten sein, um selbst um acht im Büro einzuchecken. Ich möchte sie morgens nicht noch im Halbschlaf anziehen und am Morgen schon hetzten. Ich will, dass sie in Ruhe wach werden kann; ich will ein gemeinsames Frühstück; ich will zum Kindergarten auch endlich einmal schlendern.
Ich habe es satt, nach neun Stunden Arbeit noch den Einkauf zu schleppen, zu kochen, meinen Sohn vom Fußballverein abzuholen – während meine Kleine wieder anfängt zu quengeln – mich zu beeilen, weil die Hausaufgaben warten, nur Smaltalk mit meinem Mann führen zu können, keine Kraft für den Streit ums Zähneputzen mit den Kindern mehr zu haben, erschöpft ins Bett zu fallen, an die nicht gemachte Wäsche und den anstehenden Papierkram zu denken – und am nächsten Morgen wieder zu funktionieren. Ich habe es satt – immer. nur. für. andere. zu. funktionieren.
Ich habe einen Traum. Morgens in Ruhe Kind und Mann zu verabschieden, mit einem Kuss, wie in Filmen. Vom Kaffeeklatsch mit meinen Freundinnen und Rezepte austauschen. Vom Nähkurse besuchen und chice Kleider nähen. Vom Zeit haben – Zum Kochen, zum Putzen, zum Lesen.
Nein, ich möchte nicht, dass mein Mann einkauft – er kauft immer das Falsche. Ich möchte nicht, dass er kocht – ich mache das selbst gern. Ich habe es gern, wenn ich koche und meine Familie zu Tisch bitte. Ich stelle mir dann vor, dass sie meine Jury sind und jedes „mmh“ und „lecker“ ist für mich so viel mehr Wert als die Zehn-Punkte-Karte. Oder die Karriere. Nein, ich möchte mein Kind auch nicht länger im Kindergarten lassen, um noch länger arbeiten zu können. Ich möchte einfach nur selbst mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen! Mit meiner Familie leben und nicht für die Arbeit.
Ich habe Angst. Keine Angst vor finanziellen Nöten. Ich habe Angst vor dir, vor der Gesellschaft. Ich habe Angst, dass ich nichts mehr Wert bin, wenn ich nicht Arbeite. Dass mein Wert sich danach bemisst, wie viel Geld ich zum Haushalt beitrage. Ich habe Angst davor, dass man alles, was eine Hausfrau macht, nicht in Geld messen kann. Ich habe Angst, für meine Arbeit im Haus nicht die Anerkennung zu erhalten, die diese Arbeit eigentlich verdient. Angst davor, verurteilt zu werden. Es in euren Augen nicht geschafft und zu nichts gebracht zu haben, schwach zu sein, abhängig und unemanzipiert. Angst davor, nicht sagen zu dürfen, dass ich eine traditionellen Rollenverteilung bevorzuge, dafür verpönt zu werden. Darum habe ich einen Traum: Ich möchte mich trauen.
Ich habe einen Traum. Ich bin Großmutter von sieben zuckersüßen Enkeln. Ich sitze in meinem Sessel und ich denke zurück, ganz weit zurück. An meine Schulfreundin zum Beispiel, die nie studieren wollte. „Eigentlich wäre ich gerne Hausfrau“, hatte sie mir einmal gesagt. Es war ihr ausgerutscht und sie lief rot an, blickte weg. Jahrelang hat sie sich durch ihr Studium gequält. „Warum?“, hatte ich sie einmal gefragt: „Warum hast du es nicht einfach getan? Hausfrau werden, meine ich“. „Niemand hätte es verstanden und meine Familie niemals akzeptiert.“, meinte sie – und lebte den Traum anderer.
Ich denke zurück, sehr weit zurück, auch an diesen Jungen. Niemals würde ich ihn vergessen. Ich hatte ihn in einem Schulworkshop kennengelernt, über Islam und Frauen. Als junge Frau führte ich sie noch regelmäßig durch.
„Ich glaube, dass muslimische Frauen sehr viel entspannter in ihrem Selbstverständnis sind und auch mutiger. Ich glaube eigentlich nicht, dass unbedingt jede Frau eine vierzig Stunden Woche arbeiten möchte, sondern auch gern zu Hause bleiben und sich um ihre Kinder kümmern würde. Sie hat aber Angst davor, dafür von der Gesellschaft geächtet zu werden. Wenn eine Frau nach ihrem Kinderwunsch nicht bald wieder arbeiten geht, gilt sie oft als Versagerin in ihrem Job, als jemand, der es nicht schafft, Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen. Eine Hausfrau ist in unserer Gesellschaft nun einmal nichts wert.“
Das hatte er gesagt und das hatte ich all die Jahre nicht vergessen. Wie es ihm heute wohl geht? Wie gerne würde ich ihm zurufen: Ich war mutig und ich habe es geschafft – Hausfrau zu sein.
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Nachtrag.
Dieser Text ist zur großen Teilen – bis auf die zwei Beispiele am Ende – fiktiv. Das Hausfrauendasein wäre für mich persönlich nicht erfüllend. Dennoch habe ich großen Respekt vor Frauen, die diesen Weg selbstbewusst gehen – Und auch gehen dürfen. Es steht uns nicht zu, über unterschiedliche Lebenskonzepte zu urteilen. //
Dieser Eintrag beschäftigt sich offensichtlich nicht mit Problemen von Frauen, die sich ausschließlich für die Karriere entscheiden oder aber Familienplanung und Karriere zusammenbringen wollen. Auch das muss Frauen möglich sein und auch das müssen wir als Gesellschaft möglich machen.
Salam,
genau das geht mir seit zwei Tagen durch den Kopf! Wir haben den Respekt und die Wertschätzung verloren vor dem wichtigsten und härtesten Job der Welt: Mutter sein!
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Meine Eltern waren beide voll berufstätig. Nach der Schule war ich oft allein oder bei meiner Großmutter. Das war auch schön und vollkommen normal, aber ich habe mich immer wahnsinnig gefreut wenn meine Mutti am Abend heim kam. Mein Vater hat dann noch oft bis in die Nacht gearbeitet. Rückblickend finde ich es sehr schade, dass ich so wenig Zeit mit meinen Eltern verbringen konnte. Die Wahrheit ist, ich hätte wirklich gerne mehr Zeit mit meinen Eltern verbracht. Erst wenn man Erwachsen ist, fällt einem auf, was man eigentlich nicht mit seinen Eltern gemacht hat. Wie wenig man eigentlich von ihren Träumen und Hoffnungen wusste als Kind. Ich hätte gerne öfter mit meinen Eltern im Sand gespielt anstatt allein. Ich hätte gerne mehr darüber gewusst, was meine Mutti mag und hätte auch gerne ihr mehr Wünsche erfüllt, hätte sie gerne mehr Lachen und unbeschwerter gesehen, anstatt so oft müde und pflichtbewusst.
Und das sind Momente, die man auch einfach nicht nachholen kann. Darum wünsche ich mir für mein Kind inshallah mehr Zeit.
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